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Brandenburg: Berliner Institut bestreitet angebliche Reaktor-Risiken „Klartext“ berichtet, dass Hülle des Forschungsreaktors nicht gegen Terrorangriffe gesichert ist

Von Sandra Dassler Potsdam/Berlin. Was tun Sie, wenn in Ihrer Nähe ein Atomreaktor zerstört wird?

Von Sandra Dassler

Von Sandra Dassler Potsdam/Berlin. Was tun Sie, wenn in Ihrer Nähe ein Atomreaktor zerstört wird? Die Einwohner von Babelsberg, des Potsdamer Stadtteils Stern, Sacrow, Neubabelsberg und eines Teils der Berliner Vorstadt wissen Bescheid. Ende Februar erhielten sie vom Hahn-Meitner-Institut (HMI) mit Sitz in Berlin-Wannsee eine Notfallbroschüre, die ihnen erläutert, wie sie sich verhalten müssen, falls aus dem Forschungsreaktor des Instituts radioaktive Strahlung austritt. Zu den Empfehlungen gehören das Schließen und Abdichten von Fenstern und Türen, das Aufsuchen von Kellerräumen und das Verstauen von verseuchter Kleidung in Plastiktüten. Außerdem erfahren die Einwohner im Umkreis von vier Kilometern, dass im Katastrophenfall vor ihren Haustüren Päckchen mit Tabletten abgelegt werden, die der Aufnahme des radioaktiven Jods durch den Körper entgegenwirken. Was auf den ersten Blick etwas makaber wirkt, ist eine gesetzliche Vorgabe. „Wir müssen die Hinweise alle fünf Jahre aktualisieren“, sagt der Sprecher des Hahn-Meitner-Instituts, Thomas Robertson: „Das bedeutet nicht, dass es aktuelle Hinweise auf eine Gefährdung gibt. Aber natürlich ist die Sensibilität für solche Themen gerade auch nach den Anschlägen von Madrid besonders hoch.“ Robertson ist überzeugt, dass die verteilte Broschüre der Anlass für eine Sendung des RBB-Magazins „Klartext“ war, die gestern Abend ausgestrahlt werden sollte. Der RBB hatte schon vorab gemeldet, dass Experten wie der Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz, Sebastian Pflugbeil, die sofortige Stilllegung des Reaktors fordern. Grund: „Im Fall eines Angriffs mit einem Passagierflugzeug bestehe unmittelbar die Gefahr einer Kernschmelze und der Verseuchung der Umgebung, in der rund 200 000 Menschen wohnen.“ Gestern schlossen sich einige Politiker wie der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90 / Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Volker Ratzmann, den Stilllegungs-Forderungen an: „Die Möglichkeit einer solchen Katastrophe – sei es ein Anschlag, sei es ein Unfall, steht in keinem Verhältnis zu denkbaren Vorteilen einer Forschung mit dem Reaktor.“ Im brandenburgischen Umweltministerium rufen solche Reaktionen nur Kopfschütteln hervor: „Das sind doch Diskussionen von vorgestern“, sagt Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade: „Der Forschungsreaktor im HMI ist technisch nicht mit einem Reaktor in einem Kernkraftwerk zu vergleichen. Er entspricht höchsten Sicherheitsstandards und arbeitet seit 30 Jahren störfrei. Aus unserer Sicht bestehen keine Bedenken gegen den Betrieb und auch kein erhöhtes Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung.“ Auch der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Daniel Buchholz, sieht keinen Grund zur Panik: „Die Diskussion um den Forschungsreaktor ist alt. Sollte es ein neues Gutachten geben, dass eine unverhältnismäßige Erhöhung des Sicherheitsrisikos feststellt, müsste das schnell auch den Politikern vorgelegt werden. Davon ist mir nichts bekannt.“ Mitarbeiter des Hahn-Meitner-Instituts wollten sich in der RBB-Sendung nicht äußern, sagt HMI-Sprecher Thomas Robertson: „Wir hatten gehofft, dass das nicht gesendet wird. Ich verstehe ja, dass man vermeintliche Sicherheitsrisiken angesichts der Angst vor Terroranschlägen thematisieren muss – aber irgendwie bringt man damit bestimmte Ziele überhaupt erst ins Gespräch. Im Übrigen hat gerade Madrid gezeigt, dass Terroristen keine gut gesicherten und bewachten Objekte ins Visier nehmen müssen, um Angst und Schrecken zu verbreiten.“ Der Katastrophenschutzbeauftragte der Berliner Senatsverwaltung, Norbert Schmidt, erklärte, angesichts der flachen Bauweise und der Lage des Instituts könne er als Ziel für Großflugzeuge ausgeschlossen werden. Dagegen hätten Selbstmordattentäter in kleinen Flugzeugen „eine, wenn auch kleine Chance“.

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