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Brandenburg: Berliner Glasperlen gegen afrikanische Sklaven

Eine Projektgruppe will an die brandenburgische Kolonialzeit erinnern und Konzepte für den Umgang damit erarbeiten

Potsdam / Princess Town - Sie mussten sich niederknien. Dann wurden ihre rechten Schultern mit Palmöl bestrichen und die Initialen „CABC“ in die Haut gebrannt. Die Buchstaben stehen für Churfürstlich Afrikanisch-Brandenburgische Compagnie. Die knieenden Afrikaner waren brandenburgisches Eigentum. Bis 30 000 Sklaven hat der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm im 17. Jahrhundert bis nach Brasilien und Nordamerika verkauft, schätzen Historiker. Ausgangspunkt für den Menschenhandel war die erste deutsche Kolonie: Groß Friedrichsburg an der ghanaischen Atlantikküste.

Doch in Brandenburg kennen heute nur noch wenige die koloniale Vergangenheit ihres Landes – viel zu wenige findet der SPD-Landtagsabgeordnete Jens Klocksin. Der 35-jährigen Kolonialzeit werde „heute in der Erinnerungskultur kein besonderer Stellenwert beigemessen“, lautete jüngst die Antwort der Landesregierung auf seine Kleine Anfrage. Klocksin, der diese Haltung „ignorant“ findet, wollte das ändern und gründete in diesem Jahr die Projektgruppe „325 Jahre brandenburgische Landnahme in Westafrika“ – zusammen mit den Wissenschaftlern Dr. Ulrich van der Heyden und Prof. Walter Hundt sowie den brandenburgischen Entwicklungshelfern Uwe Prüfer vom Landesnetzwerk entwicklungspolitischer Gruppen Venrob e. V. und Klaus Selmke vom Verein ABC-Brücke, der in Ghana Kindern den Schulbesuch ermöglicht. Die Initiatoren planen am 8. Februar im Potsdamer Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte eine Konferenz zum Thema, kündigte Klocksin gestern vor Journalisten in Potsdam an.

Auf der Tagung soll auch über „konkrete Handlungsmöglichkeiten“ diskutiert werden. Eine Ausstellung sei wünschenswert und dass das Thema in den Lehrplan aller märkischen Schulen aufgenommen wird. Denn „die Kenntnis der Vergangenheit sei notwendig, um die Zukunft zu gestalten, so Klocksin. Er hält dieses Thema gerade vor dem Hintergrund rassistischer Übergriffe in Brandenburg für wichtig. Die Vertreter der Entwicklungshilfe hoffen vor allem darauf, dass die Brandenburger ihren Teil der Verantwortung erkennen und sich entwicklungspolitisch engagieren.

Am 1. Januar 1683 ließ der Große Kurfürst in Groß Friedrichsburg, heute Princess Town, seine Flagge hissen. Eigentlich hatte er seine 40 Mann starke Expedition auf der Suche nach Gold gen Afrika geschickt, um die Staatskasse nach dem 30-jährigen Krieg wieder aufzufüllen. Viel Gold fanden seine Gesandten in Ghana aber nicht, erklärt der Berliner Kolonialwissenschaftler van der Heyden: „Die Afrikaner waren so clever, ihnen keine Minen zu zeigen.“ Doch die Kolonie lohnte sich trotzdem: Die Brandenburger tauschten Berliner Glasperlen gegen Elfenbein und Sklaven. Bis zu 400 Prozent Gewinn soll das Fürstentum auf diese Weise gemacht haben. Mit Hilfe der afrikanischen Küstenbewohner habe eine grausige Menschenjagd auf die Bewohner des Landesinneren stattgefunden, so van der Heyden. Die Vorfahren der heutigen Princess Towner hätten wahrscheinlich vom Sklavenhandel profitiert. Beeindruckt schrieb ein Zeitzeuge, der Chirurg Johann Peter Oettinger, wie die Sklaven gebrandmarkt und für den Schiffstransport zusammengekettet wurden: „Krampfhaft zog sich das Herz zusammen, als ich sie, menschlich gebaute Wesen, wie Vieh behandelt sehen musste.“

Im 18. Jahrhundert brachte der Sklavenhandel schließlich nicht mehr genügend Erträge ein und so verkaufte König Friedrich Wilhelm I. als Nachfolger des Großen Kurfürsten 1717 die afrikanischen Kolonien an die Niederländisch-Westindische Compagnie für „7200 Dukaten und 12 Mohren“, die als Musiker im preußischen Heer dienen mussten.

Dies bedeutete aber nicht das Ende der brandenburgischen Beziehungen zur ehemaligen Kolonie, in der zur Zeit wie berichtet blutige Unruhen herrschen. Seit November bekämpfen sich die Anhänger zweier konkurrierender Häuptlingsanwärter. Der Verein ABC-Brücke will trotzdem in den nächsten Wochen zwei Schiffscontainer mit Krankenhausbetten, Rollstühlen und Krücken für das örtliche Hospital nach Princess Town schicken. Und auch die Spenden für die Schulkinder sollen weiterlaufen.Juliane Wedemeyer

Juliane Wedemeyer

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