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Brandenburg: Berlin überprüft Scientology

Rot-Rot diskutiert Beobachtung durch Geheimdienst, warnt aber vor Panik

Berlin - Die Landesregierung lässt derzeit alle öffentlich verfügbaren Informationen über die Berliner Aktivitäten der Organisation Scientology zusammentragen. Am 24. Januar sollen Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid dem Verfassungsschutzausschuss des Abgeordnetenhauses ihre Erkenntnisse vortragen. Danach entscheide man, ob die Organisation in Berlin eine Bedrohung für die verfassungsmäßige Ordnung darstellt und nachrichtendienstlich überwacht werden soll. Das sagten am Freitag mehrere SPD-Abgeordnete. „Wir wollen gründlich prüfen, ob neue Gründe vorliegen, die eine Wiederaufnahme der Überwachung rechtfertigen“, erklärte der innenpolitische Sprecher der SPD, Thomas Kleineidam. Er deutete jedoch an, dass die Chance dafür gering ist. Von Scientology war keine Stellungnahme zu bekommen.

Heute eröffnet die Organisation, die sich selbst als Kirche bezeichnet und von Kritikern als Sekte bezeichnet wird, ihren neuen Berliner Sitz in der Charlottenburger Otto-Suhr-Allee 30. Dass Scientology an so einer zentralen Adresse ein repräsentatives sechsstöckiges Gebäude bezogen hat, nährt für Innenpolitiker Kleineidam den Verdacht, dass die Organisation „ihre Aktivitäten in der Stadt verstärken will“. Die Zahl der Berliner Mitglieder wird auf 200 geschätzt.

In mehreren anderen Bundesländern wird Scientology vom Verfassungsschutz überwacht, ebenso vom Bundesverfassungsschutz. In Berlin war dies 2003 mangels nachweisbarer Verstöße gegen das Grundgesetz eingestellt worden. Dennoch bietet Scientology nach Ansicht von Experten „zahlreiche Anhaltspunkte“ für eine weitere Beobachtung. Anhänger hätten „klare Handlungsanweisungen“, wie der Staat übernommen werden soll, sagte der Jurist Arnd Diringer gestern in den Räumen der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW). Die Organisation vertrete Werte, die mit der Menschenwürde nicht zu vereinbaren seien.

Die EZW warnte, bei Scientology handele es sich um eine „Geheimgesellschaft“, die sich in der „Psychoszene“ bewege. Die „Sogwirkung“, die Freizeitangebote und gut geschulte Mitarbeiter erzeugen könnten, dürfe nicht unterschätzt werden, sagte Esoterik-Experte Matthias Pöhlmann. Diringer wies darauf hin, dass ein Schwerpunkt der Bekenntnisgemeinschaft wirtschaftliche Aktivitäten seien. Die Sekte habe Elemente ihrer Dogmatik in multinationalen Unternehmen etablieren können. In den USA träten Prominente für sie auf, sogar Ex-US-Präsident Bill Clinton habe in einer Scientology-Zeitschrift veröffentlicht. „Man bekommt den Eindruck, in Hollywood sei eine Karriere nur noch möglich, wenn man Scientologe ist“, sagte Diringer. Die Opposition warf dem Senat vor, „kein klares Konzept für den Umgang mit Scientology“ zu haben. Das sagte CDU-Innenpolitiker Frank Henkel. Eine Internetumfrage der CDU zur Überwachung von Scientology durch den Verfassungsschutz wurde gestern offenbar Ziel einer Kampagne der Organisation. Hatten sich am Vorabend drei Viertel der Teilnehmer im Sinne der CDU für die Überwachung ausgesprochen, waren Freitag 95 Prozent dagegen. Nach CDU-Informationen hatte Scientology ihre Mitglieder per Mail aufgefordert, das Ergebnis zu beeinflussen. Freitagnachmittag hatten fast 1000 Teilnehmer abgestimmt – zehnmal so viele wie üblich. Anwohner der Otto-Suhr-Allee haben inzwischen eine Unterschriftenaktion gegen die Anwerbeversuche von Scientologen gestartet, die immer wieder Passanten ansprechen. Hannes Heine/ Lars von Törne

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