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Berlin: Gedächtniskirche wird zu St. Nimmerlein

Gerüste werden abgebaut, die Bauerei geht weiter. Nun ist die Pflasterung dran – und der neue Turm.

Berlin - Die goldenen Zeiger hängen wieder an der Turmuhr, und die Handwerker haben sich nach unten vorgearbeitet. Am Montag beginnt der Abbau des Gerüsts an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche auf dem Breitscheidplatz. Seit dem Herbst 2010 hatte die an ein Hochhaus erinnernde Konstruktion das Zweiten Weltkrieg zerstörte Gotteshaus verhüllt. „Touristen standen auf dem Platz und haben die Kirche nicht mehr gefunden“, sagt Pfarrer Martin Germer. Und deren Verunsicherung spürte die Gemeinde selbst in ihren Spendendosen: Rund ein Drittel weniger Münzen und Scheine fanden sich während der Bauarbeiten in den Sammelbüchsen in Kirche und Gedenkhalle.

Das wird künftig wohl nicht mehr der Fall sein – doch das Wahrzeichen hat trotzdem alle Chancen, zu einer Dauerbaustelle zu werden. Denn noch während die letzten Steine am Turm ausgetauscht werden, hat die Gemeinde die nächsten Schwachstellen ausgemacht: Das Podium, die erhöhte Plattform auf dem Breitscheidplatz, auf der sich alle Kirchengebäude befinden, muss saniert werden. Dort sind Pflastersteine lose und Stufen wackelig. Für Besucher haben sich Stolperfallen gebildet. „Wir wollen den Originalfußboden wiederherstellen, wie ihn Egon Eiermann, der Architekt der neuen Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, 1961 gebaut hatte“, sagt Germer.

Rund um die runden Betonsteine auf dem Boden soll es kleine, runde Keramikfliesen geben – heute ist dort handelsübliches Straßenpflaster verlegt. Um das ganze, 2500 Quadratmeter große und komplett in Kirchenbesitz befindliche Areal zu sanieren, seien rund 1,4 Millionen Euro nötig. Der Bund und das Land Berlin hätten schon rund 400 000 Euro zugesagt, so Germer. Bei der Lottostiftung sei ein Antrag auf Förderung gestellt. Und ganz so wie beim alten Turm setzt die Gemeinde auf die Unterstützung der Berliner: „Wir wollen Podiumspatenschaften verkaufen“, sagt Germer. Denn beim alten Turm hätten sich die Fugenpatenschaften als erfolgreiches Mittel zur Spendenwerbung erwiesen: 1444 Berliner und Freunde der Stadt übernahmen eine symbolische Patenschaft für eine Mauerfuge des Gebäudes. Die Baukosten in Höhe von 4,2 Millionen Euro kamen dank der Spendenfreude der Berliner und Mitteln des Senats, der Lottostiftung und des Bundes zusammen, und obwohl die Sanierung etwa wegen des letzten harten Winters länger dauerte als geplant, blieb sie im Kostenrahmen.

Doch bald schon könnte ein neues Gerüst auf dem Breitscheidplatz stehen: Wenn das Podium saniert ist, müssen die Handwerker auch beim erst im Jahr 2000 sanierten neuen Kirchturm wieder ran: Die damals restaurierten Betonwaben bröckeln wieder. „Wir freuen uns, dass wir die Wüstenrot-Stiftung für ein Forschungsprojekt gewinnen konnten, bei dem es darum geht, wie wir die Sanierungsintervalle an den Betonbauten vergrößern können“, sagt Germer. Zugleich wolle die Stiftung untersuchen lassen, welche Arbeiten eventuell an der Kapelle neben dem Glockenturm nötig seien, und deren Finanzierung „soweit es nicht alle Rahmen sprengt“ auch übernehmen.

Martin Germer muss also auch weiter die Berliner um Spenden bitten – doch irgendwann, so hofft der Pfarrer, werde es vielleicht auch gelingen, der Kirche dauerhaft höhere Zuschüsse für den Erhalt ihres Gebäudeensembles zu verschaffen. Derzeit stünden nur rund 50 000 Euro pro Jahr aus den Kirchensteuereinnahmen der Gemeinde für Bauarbeiten zur Verfügung. Das Erheben einer Eintritsgebühr wie am Berliner Dom schließt der Theologe allerdings aus: „Die Gedächtniskirche war die erste Kirche Berlins, die dauerhaft für Besucher geöffnet war“, sagt Germer. „Und dabei soll es auch bleiben.“

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