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Berlin: Besonders viele Quereinsteiger an Brennpunktschulen

In Berlin tritt Paket zur Entlastung von Familien in Kraft. An Schulen herrscht allerdings Lehrermangel - und gerade an Brennpunktschulen arbeiten besonders viele Quereinsteiger.

Berlin / Potsdam - Beim Blick ins Nachbarbundesland könnten Eltern aus Brandenburg durchaus neidisch werden. Denn in Berlin tritt zum Ende der Sommerferien ein millionenschweres Paket zur Entlastung von Familien in Kraft. Seit dem gestrigen Donnerstag sind in Berlin die ersten beiden Hortjahre beitragsfrei, auch die bisherige Bedarfsprüfung fällt weg. Das Mittagessen für bis zu 198.000 Grundschüler der Klassen eins bis sechs kostet ebenfalls nichts mehr, um jedem Kind eine warme Mahlzeit zu ermöglichen. Zudem gibt es für alle rund 360.000 Schüler eine Gratis-Jahreskarte für Busse und Bahnen, der Preis für das Azubi-Jahresticket reduziert sich auf 365 Euro im Jahr – also auf einen Euro pro Tag.

Die Kosten des von Rot-Rot-Grün beschlossenen Pakets belaufen sich nach Berechnungen der Finanz- und der Bildungsverwaltung auf bis zu 225 Millionen Euro jährlich. Die Entlastungen für Familien können erheblich sein: Sie summieren sich laut Senat bei einer Familie mit einem Schulkind und gut 50.000 Euro Jahreseinkommen auf gut 1400 Euro im Jahr.

Berlin soll Nachahmer finden

Berlin setzt damit seinen Weg in Richtung kostenfreie Bildung fort. Vor einem Jahr hatte die Hauptstadt als erstes Bundesland die Kitagebühren komplett abgeschafft. Die Höhe der freiwilligen Zuzahlungen etwa für zusätzliche Sportangebote, Bio-Essen, Musik- oder Sprachunterricht wurde gesetzlich auf 90 Euro im Monat begrenzt. Berlins SPD-Fraktionschef Raed Saleh zeigte sich jüngst „froh und stolz“ über die neuen Regelungen. „Ich bin überzeugt davon, dass Berlin in der Frage der gebührenfreien Bildung Nachahmer findet.“ Kritik kommt von der CDU: Mit der Beitragsfreiheit werde vor allem die Mittelschicht entlastet, die Qualität von Schule und Schulessen werde nicht besser.

In Brandenburg ist seit dem vergangenen Kitajahr zumindest das letzte Kitajahr kostenfrei, weitere sollen folgen. Für Hort und Schulessen muss aber im Normalfall gezahlt werden. Kostenfreies Schulessen gibt es in Brandenburg allerdings für bedürftige Kinder.

Zulage ohne steuernde Wirkung

Die Lage an den Berliner Schulen ist jedoch deutlich angespannter als in Brandenburg. Kritisch wird gesehen, dass besonders an so genannten Brennpunktschulen besonders viele Quereinsteiger unterrichten. Diese Ballung lässt sich auch mit Millionenzulagen nicht verhindern: „Die Zulage hat keine steuernde Wirkung“, lautete am Donnerstag die vorläufige Bilanz von Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD): Berlin war im Sommer 2018 dazu übergegangen, Brennpunktlehrern 300 Euro zusätzlich zu bezahlen. Dafür gibt es pro Jahr neun Millionen Euro.

Die rot-rot-grüne Berliner Regierungskoalition will allerdings dennoch an der Zulage festhalten und hat die entsprechenden Mittel auch bereits im neuen Doppelhaushalt verankert. Scheeres begründete dies damit, dass die Zulage ein „wichtiges Anerkennungsinstrument“ in den Schulen mit einer schwierigen Schülerschaft und sozialen Lage sei.

Die Zulage sollte eigentlich klassische Lehrkräfte an Brennpunkte holen

Die Zulage war erstmals im Doppelhaushalt 2018/19 verankert worden, nachdem durch eine Auswertung der Bildungsverwaltung bekannt geworden war, dass die Quereinsteiger an Brennpunktschulen überproportional vertreten sind: Ein Anteil von 20 bis 30 Prozent in den Kollegien ist keine Seltenheit, während Hunderte Schulen außerhalb der Brennpunkte keinen einzigen Quereinsteiger in ihren Reihen haben. Das wollte die rot-rot-grüne Koalition ändern.

Von Anfang an machte die Entscheidung allerdings Probleme, weil aus den Schulen signalisiert wurde, dass man nicht mehr Geld, sondern eine Stundenentlastung brauche. Dem aber folgte Scheeres nicht, da dies den Lehrermangel noch verschärft hätte. Zudem gab es Widerspruch seitens der Erzieher, die rund halb so viel wie die Lehrer verdienen und nicht von der Zulage profitieren sollten. Erst nach rund einjährigen Verhandlungen floss Geld: Die neun Millionen Euro wurden so verteilt, dass sie für Lehrer und Erzieher reichen, die an Schulen mit einem Anteil von mehr als 80 Prozent Kindern aus Hartz-IV-Familien arbeiten.

Mehr als 700 neue Lehrer sind Quereinsteiger

Eine gerechtere Verteilung der Quereinsteiger bleibt auch in diesem Jahr ein Thema für die Koalition. Dies machten die Zahlen zum neuen Schuljahr deutlich, die Scheeres am Donnerstag präsentierte: Demnach handelt es sich bei nur vier von zehn Neueingestellten um gelernte Lehrer. Mit anderen Worten: Unter den rund 2700 neuen Berliner Lehrkräften sind nach ersten Berechnungen nur rund 1000, die ein Lehramtsstudium und ein Referendariat absolviert haben. Mehr als 700 Neulinge sind Quereinsteiger. Das bedeutet, dass sie ein Fach wie Englisch oder Mathematik studiert haben, das in der Schule unterrichtet wird – allerdings ohne Didaktik, Pädagogik und Erziehungswissenschaften studiert zu haben.

Dazu kommen die Kräfte, die überwiegend kein Schulfach studiert haben, sondern nur ein verwandtes Fach wie Archäologie oder Wirtschaft. Von diesen sogenannten Seiteneinsteigern gibt es dieses Jahr über 900. Weitere Lücken werden durch 250 Pensionäre gefüllt, die entweder weiter unterrichten oder Quereinsteiger betreuen. Laut Scheeres sind 90 Stellen noch nicht besetzt. Das werde aber in den nächsten Wochen nachgeholt. (mit dpa/SCH)

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