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BER-Flugroute vor Bundesverwaltungsgericht: Über Wannsee-Route wird neu verhandelt

Das Bundesverwaltungsgericht hebt die Hürden für ein Verbot der Flugroute über den Forschungs-Reaktor in Wannsee stark an. Nun muss das Absturz- und Terrorrisiko erneut geprüft werden.

Leipzig - Die Wahrscheinlichkeit, dass die Flugzeuge vom künftigen Berliner Flughafen BER aus auf den Wannsee-Flugrouten über den Helmholtz-Forschungsreaktor fliegen werden, ist seit Donnerstag bedeutend größer geworden. Der Rechtsstreit geht in eine neue Runde. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig kassierte die beiden Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG), das die Route im Januar 2013 gekippt hatte, und verwies sie zur Neuverhandlung zurück. Dabei hoben die Bundesrichter die Hürden für ein Verbot der Wannsee-Flugrouten stark an (BVerwG 4 C 2.13 und BVerwG 4 C 3.13).

Der Vorsitzende Richter, Rüdiger Rubel, begründete die Urteile damit, dass ein Verbot der Wannsee-Flugrouten, wie vom OVG ausgesprochen, nur infrage komme, „wenn sich keine andere Route als eindeutig vorzugswürdig erweist“.

Die Routen führen in einer Entfernung von circa drei Kilometer an dem Gelände des Helmholtz-Zentrums in Wannsee vorbei, auf dem sich der Forschungsreaktor BER II, eine Lagerhalle für Brennelemente und die Landessammelstelle für klein- und mittelradioaktive Abfälle befinden. Die Kläger sind die Gemeinden Kleinmachnow und Stahnsdorf, die Stadt Teltow, eine Mitarbeiterin des Helmholtz-Zentrums sowie mehrere Grundstückseigentümer, die in einer Entfernung von bis zu zehn Kilometern zum Helmholtz-Zentrum wohnen.

Ihr gemeinsamer Anwalt Remo Klinger hatte argumentiert, ein terroristisches Risiko sei seit den Anschlägen vom 11. September 2001 kein Restrisiko mehr. Der vierte Senat in Leipzig schloss sich der Kritik der Richter des OVG an. Die hatten bemängelt, dass das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) nicht eingeschätzt und abgewogen habe, wie hoch das Absturz- und Terrorrisiko sei, dass ein Flugzeug oder Teile davon das Gebäude des Forschungsreaktors oder benachbarte Flächen, auf denen radioaktive Substanzen gelagert werden, träfen. Richter Rubel bezeichnete dies als ein „Ermittlungsdefizit“. Allerdings bedeute das nicht gleich automatisch, dass die Wannsee-Flugroute unzulässig ist.

Der Anwalt des Bundesaufsichtsamts, Tobias Masing, äußerte, „wir halten es für abwegig, mit Flugrouten Terroristen beeinflussen zu können“. Masing versuchte, den Prozess der Festlegung von Flugrouten als „technisches Flugverfahren“ zu schildern, die Verantwortung für die Einschätzung von Absturzrisiken schon bei den planenden Behörden des gesamten Flughafen zu verorten und die Routen als „Standardverfahren“ darzustellen, das nur dann zum Einsatz komme, wenn ein Pilot keinen Kontakt zu einem Fluglotsen habe. Sonst erhielten die Piloten für ihre Flüge immer individuelle Anweisungen von den Fluglotsen. Anwalt Klinger erwiderte daraufhin, dass gerade bei einem terroristischen Anschlag der Kontakt zu den Fluglotsen unterbrochen sein könnte und deshalb die Piloten gerade in diesem Fall die Wannsee-Flugrouten wählen müssten, die über den Forschungsreaktor führen.

Anwalt Masing vertrat außerdem die Einschätzung, es sei „gutachterlich nicht zu bewältigen, das Absturzrisiko aus einer Höhe von 2,4 Kilometern zu ermitteln“. Diese Höhe sollen die Flugzeuge nach ihrem Start auf dem neuen Flughafen dort erreicht haben.

Diese schwierige Aufgabe, das Absturzrisiko auf der Wannsee-Route und mögliche Routenalternativen zu ermitteln, kommt nun auf die Richter des OVG selbst zu. Für deren neue Verhandlung haben die Leipziger Bundesrichter enge Vorgaben gemacht.

Das Bundesverwaltungsgericht habe die beiden Urteile nicht bestätigt, weil das OVG nicht geprüft habe, ob die Festlegung der Wannsee-Routen im Ergebnis vertretbar sei, sagte Rubel. Das OVG müsse selbst klären, ob die Kläger „mit einer rechtlich relevanten Erhöhung des Störfallrisikos belastet werden“. Die Berliner Richter hatten diese Aufgabe noch beim Bundesaufsichtsamt angesiedelt gesehen. Dessen Entscheidung sei nicht zu beanstanden, wenn die Wannsee-Routen nicht zu einem höheren Risiko führen oder es für höhere Risiken ausreichend sachliche Gründe gäbe, wenn sich etwa „keine andere Route als eindeutig vorzugswürdig erweist“, sagte Rubel.

„Wir sind ganz zufrieden mit dem Urteil, denn es bringt Klarheit in einen ziemlich erbitterten Streit hinein“, sagte der Direktor des Bundesaufsichtsamtes, Nikolaus Herrmann. „Andererseits gibt es uns als Behörde auf, noch mehr zu betrachten als bisher.“ Bislang habe das Amt bei der Routenplanung stets den Fokus auf Fluglärm gelegt, jetzt seien auch Risikoanlangen einzubeziehen. Auch die Kläger zeigten sich zufrieden. „Jetzt ist klar, dass das BAF sich nicht mehr herausreden kann und auch die Gegebenheiten am Boden berücksichtigen muss“, sagte Antje Aurich-Haider, Vorsitzende der Bürgerinitiative „Teltow gegen Fluglärm“. „Es gibt alternative Routen, die risikoärmer sind.“ (mit dpa)

Sven Eichstädt

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