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Durchgebrannt. Christian Goetjes hatte erst Geld veruntreut und war, nachdem die Polizei auf ihn aufmerksam wurde, geflohen.

© dpa

Brandenburg: Bei den Grünen kassiert

Der Schatzmeister der Grünen hatte Hunderttausende Euro unterschlagen – wohl auch für seine Geliebte. Nun steht er vor Gericht

Potsdam - Die Nachrichten überschlugen sich im Februar 2011 für die Grünen in Brandenburg: Der Schatzmeister verschwunden, in der Parteikasse ein Loch. Zunächst fehlten 40 000 Euro, am Ende waren es knapp 274 000 Euro. Der Verantwortliche blieb lange verschwunden, stattdessen kam ein Brief, in dem Christian Goetjes seinen Austritt aus der Partei erklärte. Gut einen Monat später wurde der 34-Jährige festgenommen. Doch das Geld blieb verschwunden. Nun muss sich Goetjes vor Gericht verantworten: An diesem Montag beginnt der Untreue-Prozess gegen ihn vor dem Landgericht Potsdam.

Die Grünen-Spitze wird möglicherweise Antworten auf ihre vielen Fragen finden. Parteivorstand und Ex-Schatzmeister sind nur über ihre Rechtsanwälte in Kontakt, wie der Landesvorsitzende Benjamin Raschke berichtet. Es ist davon auszugehen, dass Goetjes im Prozess aussagen wird. Angaben dazu wollte sein Verteidiger Martin Dakhli nicht machen. Der Vorsitzende Richter Jörg Tiemann hat jedoch laut Gerichtssprecher lediglich zwei Verhandlungstage eingeplant. Das Urteil könnte demnach bereits am 15. November gesprochen werden. Ohne eine Aussage von Goetjes wäre dies kaum möglich.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam wirft dem 34-Jährigen gewerbsmäßige Untreue in 267 Fällen vor. „Unter Ausnutzung seiner Funktion und Vertrauensstellung als Landesschatzmeister“, so die Anklage, hat er von Januar 2009 bis Februar 2011 regelmäßig Geld von Parteikonten auf seine persönlichen Konten überwiesen. Zudem bezahlte er demnach private Rechnungen in Höhe von rund 13 710 Euro mit Parteigeld und hob etwa 54 200 Euro Bargeld ab. Die Staatsanwaltschaft geht von einem Gesamtschaden von knapp 274 000 Euro aus. Das Strafmaß für die Taten liegt bei sechs Monaten bis zehn Jahren Freiheitsstrafe.

„Das hat uns damals alle sehr erschüttert“, sagt Raschke. Hinter ihm und seiner Kollegin Annalena Baerbock liegen bittere Stunden. Seit dem Jahr 2000 war Goetjes Schatzmeister bei den Grünen gewesen, Vertrauen und Anerkennung waren ihm gewiss. Auch für seine Familie war sein plötzliches Verschwinden 2011 überraschend - sie hatten ihn als vermisst gemeldet. Zuvor hatte Goetjes Mitte Februar 2011 überraschend seine Parteiämter niedergelegt. Danach war er für niemanden mehr erreichbar. Wie sich herausstellte, hatte er kurz zuvor 40 000 Euro vom Parteikonto abgehoben. Die Polizei stieß später auf eine Wohnung Goetjes’ in Berlin. Dort lagen auch die für den Jahresabschluss fehlenden Finanzunterlagen der Landespartei für 2010. Von dieser Wohnung wussten aber weder die Eltern des Mannes, die in Hohen Neuendorf leben, wo Christian Goetjes Stadtverordneter war.

Gut einen Monat blieb Goetjes damals verschwunden. Spekulationen und Gerüchte machten die Runde. Denn die Umstände der Flucht waren zunächst unklar; etwa ob Goetjes die ganze Zeit in Berlin untergetaucht war, wo die Fahnder erst den Wagen der Eltern und dann den 33-Jährigen aufspürten. Oder ob er sich nach Bulgarien abgesetzt hatte oder sich dort zeitweise aufhielt. Dorthin jedenfalls hatte Goetjes im Mai und Juni 2010 an eine Frau Geld überwiesen, ein Finanzdienstleister meldete der Polizei auffällige Zahlungen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte daher auch in einem Geldwäscheverfahren. Eine schriftliche Vorladung zu einer Vernehmung zu diesem Tatvorwurf war offenbar der Auslöser für Goetjes Flucht.

Zu Beginn der Flucht war Bulgarien für die Ermittler eine heiße Spur zu dem flüchtigen Grünen-Politiker. Denn bekannt war, dass er eine bulgarische Freundin hatte, es gab auch Spekulationen über eine bulgarische Prostituierte, die Goetjes freikaufen wollte. Er sei in den Monaten vor seiner Flucht häufig von einem auf den anderen Tag nach Bulgarien gereist, hieß es damals aus Parteikreisen. Bekannt war auch, dass Goetjes sich im Berliner Rotlichtmillieu aufgehalten habe. Dort solle er auch auf die bulgarische Freundin gestoßen sein.

Im Mai 2011 sorgte der Ex-Grüne erneut für Schlagzeilen: Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelte wegen des Verdachts des Besitzes und der Verbreitung von Kinderpornografie. Dieses Verfahren ist nach Angaben eines Sprechers inzwischen eingestellt worden - mit Blick auf den Prozess in Potsdam. Bei einer Verurteilung wäre die Strafe deutlich höher als sie Goetjes wegen der Berliner Ermittlungen droht.

Die Grünen haben sich unterdessen mit Goetjes geeinigt: „Für uns ist der zivilrechtliche Teil des Verfahrens abgeschlossen“, so Raschke. „Wir haben ein Schuldanerkenntnis von ihm.“ Weil der 34-Jährige wohl niemals in der Lage sein wird, den gesamten Schaden zu begleichen, einigte man sich auf eine Rückzahlung von 65 000 Euro. „Bis Ende des Jahres werden wir rund 33 000 Euro zurückbekommen haben“, so Raschke.

Die Partei hat ihre Konsequenzen aus dem Fall gezogen: Ein strenges Vier-Augen-Prinzip soll derartige Fälle künftig ausschließen. „Jede Rechnung wird von zwei Vorstandsmitgliedern unterschrieben“, so der Parteichef. Außerdem wurde die Bar-Kasse abgeschafft. Und regelmäßige Berichte über Ein- und Ausgaben sollen mehr Transparenz schaffen. (mit pet)

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