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In dem Teltower Männerwohnheim in der Potsdamer Straße bringt der Landkeis Potsdam-Mittelmark Flüchtlinge in Quarantäne unter.

©  Foto: Ralf Hirschberger/dpa

Update

Bändchen statt Coronatest: Flüchtlingsrat prangert Situation in Heimen an 

Ein Mann aus Kamerun schildert seine Erlebnisse aus einem Heim, in dem das Coronavirus ausgebrochen ist. Wer gegen Quarantäneregeln verstößt, muss in die Ausreisesammelstelle.    

Von
  • Katharina Wiechers
  • Eva Schmid

Hennigsdorf/Teltow - Für Nde Nzongou Barthelemy ist vor allem die Unsicherheit quälend. In der Flüchtlingsunterkunft Stolpe-Süd in Hennigsdorf (Oberhavel), wo der Mann aus Kamerun untergebracht ist, gab es einen Coronaausbruch. Haus 2, in dem er wohnt, wurde 18. April unter Vollquarantäne gestellt, niemand durfte es mehr verlassen. 

Drei Tage später wurden Tests bei allen Bewohnern durchgeführt, mit erschreckendem Ergebnis: Bei fast allen – auch bei Barthelemy – war das Ergebnis positiv, nur bei dreien negativ. Und trotzdem wurde nach zwei Wochen die Quarantäne aufgehoben, ohne erneut zu testen. Stattdessen bekamen sie ein farbiges Bändchen. „Meine Frage, wofür das Bändchen ist, hat mir niemand beantwortet. Die Sozialarbeiterin sagte nur, wenn ich es nicht trage, darf ich nicht raus“, so Barthelemy. 

Im Juli 2019 wurde die Ausreisesammelstelle am Flughafen Schönefeld eröffnet.
Im Juli 2019 wurde die Ausreisesammelstelle am Flughafen Schönefeld eröffnet.

© Jörg Carstensen/dpa

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Wer ein Band trage, sei von der Quarantäne befreit, so eine Sprecherin des Landkreises Oberhavel auf PNN-Anfrage. Der Grund sei, dass für andere Bewohner noch Quarantäneauflagen gelten. Dass nicht erneut getestet wurde, bestreitet sie nicht. Während der 14-tägigen Isolation habe täglich ein medizinisches Monitoring stattgefunden. Anschließende seien die Bewohner symptomfrei aus der Quarantäne entlassen werden. "Diese Vorgehensweise richtet sich strikt nach Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI)."

In Flüchtlingsunterkünften verbreitet sich das Virus schnell

Seine Erlebnisse hatte der Kameruner Barthelemy am Montag auf einer Online-Pressekonferenz geschildert, zu der unter anderen die Landesflüchtlingsräte eingeladen hatten. Sie machen seit Wochen auf die angespannte Situation in den Gemeinschaftsunterkünften im Land aufmerksam, in denen sich das Coronavirus oft besonders schnell ausbreitet und die dann komplett unter Quarantäne gestellt werden - auch in Potsdam gibt es derartige Fälle.

Dass dies passieren würde, sei angesichts der oft beengten Räumlichkeiten und der gemeinsam genutzten sanitären Einrichtungen vorhersehbar gewesen, so Helen Deffner, die in der Pressekonferenz die Landesflüchtlingsräte vertrat. Flüchtlinge müssten dezentral untergebracht werden, um eine solche Situation zu verhindern. Auch Gerichte hätten bereits festgestellt, dass die Abstandsregeln in großen Unterkünften nicht eingehalten werden - etwa das Verwaltungsgericht Leipzig

Zwangsquarantäne in Ausreisesammelstelle

Was passiert, wenn Flüchtlinge die Quarantäne missachten, zeigt ein Fall aus Teltow: Wie berichtet wurde ein Syrer von der Polizei in die Ausreisesammelstelle nach Schönefeld gebracht, die eigentlich für abzuschiebende Flüchtlinge eingerichtet wurde und nun zur „Absonderungseinrichtung“ für Quarantäneverweigerer umfunktioniert wurde. Aus Sicht des Flüchtlingsrats ist das unverhältnismäßig – und birgt die Gefahr von Willkür, weil klare Vollzugsregeln fehlen. 

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie in Potsdam und Brandenburg finden Sie hier in unserem Newsblog.] 

Dass die Sammelstelle nur für geflüchtete Quarantäneverweigerer gedacht ist, bestreitet das Innenministerium. Auf PNN-Anfrage hieß es, dass dort auch Deutsche untergebracht werden können. Mit dem ursprünglichen Zweck der Einrichtung bestehe „keinerlei Zusammenhang“.

Dass die eigentlich als Unterbringung kurz vor der Abschiebung gedachte Ausreisesammelstelle am Flughafen nun umfunktioniert wurde, liegt laut Innenministeriumssprecher Martin Burmeister daran, dass "aufgrund der weltweiten Pandemie derzeit nur vereinzelt bis gar keine Rückführungen möglich sind". Das Land würde mit den Räumlichkeiten in der Ausreisesammelstelle die Kreise und Kommunen auf ihre Bitte hin dabei unterstützen, Personen, die gegen Quarantäneregeln verstoßen an einem zentralen Ort unter Aufsicht unterbringen zu können. In der Sammelstelle gibt es Platz für 15 Personen. 

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