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An einer Autobahnbrücke ist das System zur automatischen Kennzeichenfahndung „Kesy“ angebracht.

© Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dp

Automatische Kennzeichenspeicherung: Märkische Datenautobahn

Datenschützer haben die Polizei wegen der Massenspeicherung von Kfz-Kennzeichen gerügt. Und jetzt?

Potsdam - Nach der aktuellen Beanstandung durch Brandenburgs Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge wächst im Landtag der Druck, dass die Polizei nicht weiter an Autobahnen die Kennzeichen aller vorbeifahrenden Fahrzeuge auf Vorrat erfasst – und teils über Jahre speichert. 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Es geht um Millionen von Daten, auch von Unbeteiligten. 

Am Dienstag erklärte SPD-Fraktionschef Erik Stohn angesichts der Hartge-Rüge in Richtung des Innenministeriums, das inzwischen von der CDU geführt wird: „Wir drängen darauf, dass schnellstmöglich eine datenschutzkonforme Regelung erfolgt“, so Stohn. „Unser Anliegen ist es, dass dieses Instrument unverzüglich so ausgestaltet wird, dass es datenschutzrechtlich angemessen funktioniert. Der Handlungsbedarf ist da.“ 

Ein bemerkenswerter Schwenk. Als die umstrittene Massenspeicherung voriges Jahr eher zufällig durch einen Berliner Fahndungsaufruf im Fall der vermissten Rebecca aufgeflogen war, hatte der damalige Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) mit Unterstützung seiner Genossen noch eisern am sogenannten System „Kesy“ festgehalten. Sein Argument: „Kesy“ sei erfolgreich und für die Strafverfolgung unverzichtbar, zudem erfolge die Speicherung auf Anordnung von Staatsanwaltschaften. Allerdings wurde im Zuge des damaligen Krisenmanagements das Ausmaß bereits eingeschränkt, wie jetzt durch Hartge bekannt wurde. 

23 Beamte mit den Datenmassen befasst

Ursprünglich waren 66 Beamte mit den Datenmassen befasst, was nach Worten von Hartge inzwischen auf 23 reduziert wurde. „Es hat Änderungen gegeben“, sagte Stohn. Die Stellungnahme Hartges sei Anlass für weitere Prüfungen. Wenn Daten nicht mehr gebraucht würden, müssten sie unverzüglich gelöscht werden.

Mit Spannung wird erwartet, welche Linie im Umgang mit dem System nun der neue Innenminister Michael Stübgen (CDU) am heutigen Mittwoch im Innenausschuss des Landtages vertreten wird. Im Landtagswahlkampf 2019 hatte die CDU für mehr innere Sicherheit geworben. Das ist zudem ein verankertes Ziel der Kenia-Koalition.

CDU-Fraktionschef Jan Redmann verwies darauf, dass 147 Mal im Jahr 2018 auf die Daten zugegriffen worden sei. Unbeteiligte, die Bedenken wegen der Erfassung ihrer Daten haben, sagte Redmann, „würde ich um Verständnis bitten, dass es mit ,Kesy‘ gelungen ist, Suizide zu verhindern und schwere Straftaten aufzuklären“. Es gehe um eine Gratwanderung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse und dem berechtigten Datenschutzinteresse. Man nehme die Beanstandung der Datenschutzbeauftragten ernst. Nun müsse es darum gehen, eine Lösung zu finden, wie das „effiziente Mittel“ erhalten werden kann: „Wie kann man die technischen Systeme so verändern, dass es datenschutzfreundlicher wird?“ Eine flächendeckende Datenspeicherung dürfe es am Ende aber nicht geben.

Die Grünen, die „Kesy“ nach Bekanntwerden wie auch die Linken massiv kritisiert hatten, gehen nicht davon aus, dass eine solche Heilung einfach möglich ist. Sie fordern die Abschaffung. Fraktionschef Benjamin Raschke erklärte am Dienstag, dass die technischen Umstellungen womöglich „sehr aufwendig und teuer“ wären. Raschke verwies etwa darauf, dass das Landesverfassungsgericht über das Kesy-System – Grundlage ist eine Verfassungsbeschwerde der Piraten – entscheiden wird. Es sei zu erwarten, dass das Verfassungsgericht die Bedenken der Landesdatenschutzbeauftragten bestätigen wird, sagte Raschke. „Grundsätzlich ist unsere Position, dass das beendet werden muss.“ Er habe aber volles Vertrauen in die Koalitionäre, das Problem gemeinsam zu lösen.  

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