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Die psychischen Belastungen bei Kindern und Jugendlichen in Brandenburg wurden durch die Coronakrise verstärkt. 

© Nicolas Armer/dpa

Auswirkungen der Pandemie auf die Jüngsten der Gesellschaft: Fast jedes dritte Kind leidet psychisch unter Coronakrise

Vor allem junge Brandenburger aus sozial schwierigen Familienverhältnissen kämpfen einer aktuellen Studie zufolge mit den Pandemiefolgen.

Potsdam - Die Pandemie mit Lockdowns und zeitweisem Homeschooling geht an Brandenburgs Jugend nicht spurlos vorüber. Knapp drei Viertel (72,4 Prozent) der Kinder und Jugendlichen zwischen elf und 17 Jahren empfanden die Veränderungen im Zusammenhang mit der Coronakrise als etwas bis äußerst belastend. Das ist das Ergebnis der sogenannten COPSY-Studie für das Land Brandenburg (COrona und PSYche) zur seelischen Gesundheit von Kindern während der Pandemie. 

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Ein Drittel der Kinder und Jugendlichen berichtet in der Ende 2021/Anfang 2022 durchgeführten Online-Befragung im Auftrag des Gesundheitsministeriums und der Krankenkassen, unter psychischen Problemen gelitten zu haben. Brandenburger Kinder und Jugendliche aus sozial angespannten Verhältnissen, etwa durch niedriges Bildungsniveau, Migrationshintergrund oder beengte Wohnsituation, seien besonders gefährdet, heißt es in der Studie. Die Ergebnisse im Überblick.

Psychische Gesundheit hat gelitten

Die Pandemie versetzt die Kinder in große Sorge: 36,9 Prozent der befragten Minderjährigen in Brandenburg zeigen Anzeichen für eine Angststörung. In der bundesweit erhobenen Vergleichsstudie waren es mit 26,8 Prozent deutlich weniger. Die häufigste Sorge der Heranwachsenden in der Mark war, „ob alles gut gehen würde“, gefolgt von der Unsicherheit, „ob sie ihre Sache gut machen“, heißt es in Studie. Ungefähr jedes fünfte der befragten Kinder (19,4 Prozent) zeigt Anzeichen für eine depressive Symptomatik. Bundesweit gaben nur 11,1 Prozent der Kinder an, unter Depressionen zu leiden.
Die befragten Eltern beobachteten weitere psychische Auffälligkeiten bei ihren Kindern. Demnach sind 16,9 Prozent der jungen Märker hyperaktiv. 24,5 Prozent der Eltern berichten über Verhaltensprobleme ihrer Kinder mit Gleichaltrigen. Allgemeine Verhaltensprobleme gab es aus Sicht der Eltern bei 12,1 und emotionale Probleme bei 29,1 Prozent der Kinder.

Mehr Kinder und Jugendliche in Brandenburg zeigten im Vergleich zu bundesweiten Zahlen depressive Symptomatiken.
Mehr Kinder und Jugendliche in Brandenburg zeigten im Vergleich zu bundesweiten Zahlen depressive Symptomatiken.

© Patrick Pleul/dpa

Gestiegener Medienkonsum - nicht wegen Online-Unterricht

Die Zeit ohne Freunde und regelmäßige Schulbesuche hat sich auch auf das Medienverhalten der Jugendlichen ausgewirkt. Zwei Drittel der befragten Elf- bis 17-jährigen Brandenburger berichten, mehr Zeit pro Tag mit Computer, Smartphone, Tablets und Spielekonsole zu verbringen als vor Corona. Bundesweit sagt das nur knapp die Hälfte der Kinder und Jugendlichen. In Brandenburg wurden die Geräte mitnichten hauptsächlich zum Lernen genutzt. Die Kinder verbrachten insgesamt mehr Zeit mit digitalen Medien für private Angelegenheiten als für schulische Aufgaben. Ungefähr vier von zehn Schülern daddelten vier oder mehr Stunden pro Tag aus privatem Interesse.

Bei einem Teil der Kinder und Jugendlichen in der Mark stieg der Medienkonsum - nicht nur wegen des Online-Unterrichts. 
Bei einem Teil der Kinder und Jugendlichen in der Mark stieg der Medienkonsum - nicht nur wegen des Online-Unterrichts. 

© Boris Roessler/dpa

Kaum Bewegung bekommen in den Corona-Monaten

Sofa statt Sportplatz: Mit dem erhöhten Medienkonsum einher geht vermutlich, dass sich die Kinder und Jugendlichen in Brandenburg wenig bewegt haben. 6,6 Prozent der jungen Märker gaben am Tag der Befragung an, sich in der Woche zuvor jeden Tag für mindestens 60 Minuten etwa beim Laufen, Radfahren, Schwimmen oder Fußball körperlich angestrengt zu haben, wie es die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt. Knapp die Hälfte der Kinder hat an drei Tagen pro Woche mindestens 60 Minuten lang Sport gemacht. 

Kinder und Jugendliche in Brandenburg haben sich während der Pandemie wenig bewegt - auch, weil Freizeitsportangebote nicht immer erlaubt waren. 
Kinder und Jugendliche in Brandenburg haben sich während der Pandemie wenig bewegt - auch, weil Freizeitsportangebote nicht immer erlaubt waren. 

© Hendrik Schmidt/dpa

Kinder änderten auch Ernährung in der Pandemie

Ihren Corona-Frust versuchten nicht wenige Kinder und Jugendliche mit dem Naschen ungesunder Lebensmittel zu kompensieren. Knapp ein Drittel der Befragten gab an, etwas bis viel mehr Süßigkeiten als vor der Pandemie gegessen zu haben. Zwei Drittel antworteten, dass sie ungefähr gleich viel oder weniger bis etwas weniger Schokolade, Kekse und Bonbons zu sich genommen hätten als in Vor-Covid-Zeiten. Alarmierend: Bei fast einem Viertel der befragten Brandenburger Kinder gab es Anzeichen für ein erhöhtes Risiko für eine Essstörung.

Statt Sport gab es öfter Süßes. Schokolade und Eis konsumierte ein Teil der Kinder und Jugendliche häufiger.
Statt Sport gab es öfter Süßes. Schokolade und Eis konsumierte ein Teil der Kinder und Jugendliche häufiger.

© Gregor Fischer/dpa

Antworten der Eltern in der Studie

Wie sehr die Pandemie den Familien in Brandenburg zusetzt, zeigen auch die Antworten der Eltern auf die Onlinebefragung. Mehr als drei Viertel der Eltern empfand die Veränderungen im Zusammenhang mit der Pandemie demnach als etwas bis äußerst belastend. Rund die Hälfte der befragten Familien litt vor allem unter dem Verlust von Freizeitaktivitäten und hatte Probleme, die Kinderbetreuung und das Homeschooling zu organisieren. Am stärksten betroffen waren die Eltern von Müdigkeit oder dem Gefühl, keine Energie zu haben. 17,3 Prozent der Eltern berichteten davon, beinahe jeden Tag Ein- oder Durchschlafprobleme zu haben. Die Freude an ihre Tätigkeiten habe nachgelassen, gaben viele Eltern zu Protokoll. Auch von Schwierigkeiten, sich zum Beispiel beim Zeitunglesen oder Fernsehen auf etwas konzentrieren zu können, wurde berichtet. Knapp ein Drittel der Eltern erkannten bei sich Anzeichen für Depressionen.

Das alles wirkt sich auf die Lebensqualität aus: Rund die Hälfte der Eltern schätzte die gesundheitsbezogene Lebensqualität ihrer Kinder in der Pandemie als gemindert ein. Die Familien konnten auch angeben, wo sie sich Unterstützung etwa von Lehrer oder Experten wünschen. Am meisten Hilfe brauchen die Eltern demnach, um mit den schulischen Anforderungen ihrer Kinder umzugehen. Auch die Frage, wie sie auf die Gefühle und Stimmungen ihrer Kinder reagieren sollen, hinterlässt viele Eltern ratlos. 

Reaktionen auf die Studienergebnisse

„Leider sind vor Corona nicht alle Menschen gleich“, kommentiert Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) die Ergebnisse der Studie. Gerade für Familien mit kleinem Geldbeutel sei es schwierig, gute Gesundheits- und Bildungsbedingungen für ihre Kinder sicherzustellen. 

Wichtig sei deshalb ein starker öffentlicher Gesundheitsdienst. Auch die Gesetzlichen Krankenkassen unterstützten psychisch belastete Familien mit besonderen Angeboten. Um die Auswirkungen der Pandemie aufzufangen, müssten etwa Familienzentren und Mehrgenerationenhäuser gestärkt werden, sagt die jugendpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion Kristy Augustin.

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