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Brandenburg: Aussage verweigert

Flughafenchef Lütke Daldrup kämpft mit dem BER und mit der Politik. Nun taucht auch noch der Bund ab – obwohl die Flughafengesellschaft in finanzielle Nöte zu geraten droht

Potsdam / Berlin - Es wird einsam auf dem Schleudersitz am BER für Engelbert Lütke Daldrup, Chefmanager der Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburgs und des Bundes (FBB): So geht jetzt auch die Bundesregierung bei der offiziell für Oktober 2020 angekündigten Eröffnung des BER-Airports in Schönefeld auf Abstand. Es ist Lütke Daldrups Termin, den sich auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (beide SPD) immer noch nicht öffentlich zu eigen gemacht haben, nachdem er Mitte Dezember 2017 vom FBB-Aufsichtsrat einstimmig abgesegnet worden war. Müller hatte selbst Zweifel daran bestärkt, als er jüngst öffentlich eine „schrittweise Eröffnung“ des BER favorisierte.

Die Grünen-Bundestagsfraktion hat nun an die Bundesregierung einen Fragenkatalog „betreffend finanzielle Auswirkungen durch die spätere Inbetriebnahme des Flughafens Berlin Brandenburg“ gestellt. In der vorgelegten Antwort will sich die Regierung auf keinerlei eigene Aussage zur BER-Eröffnung im Oktober 2020 festlegen. Als hätte der Bund keinen BER-Stab im Bundesverkehrsministerium, auch keine Aufsichtsräte am BER – es sind Verkehrsstaatssekretär Rainer Bomba (CDU) und Ex-Finanzstaatssekretär, jetzt Bahnvorstand Werner Gatzer (SPD) –, wird allein auf die FBB verwiesen. „Die Geschäftsführung der FBB hält den neuen Eröffnungstermin für unternehmerisch verantwortlich und die Terminierung für valide.“ Und: „Eine organschaftliche Beratung der neuen Inbetriebnahmeplanung hat in der Gesellschafterversammlung der FBB noch nicht stattgefunden.“ Das heißt, die drei FBB-Eigner – die Antwort trägt das Datum 23. Januar 2018 – haben noch nicht einmal über den neuen Eröffnungstermin beraten. Und das, obwohl die FBB weitere rund 900 Millionen Euro benötigt, die sie angesichts tiefroter Zahlen ohne Eignerhilfe nicht bekommt. Die Zeit drängt, das Finanzproblem zu lösen, Zitat: „Nach Auskunft der FBB deckt die Liquiditätsplanung das Jahr 2018 ab.“ Wie viel es genau ist, darum wird hinter den Kulissen gepokert, gerechnet, gestritten. „Die Neuaufstellung der BER-Kostenprognose ist noch nicht abgeschlossen“, heißt es in der Antwort. Lütke Daldrup hat sich öffentlich zumindest festgelegt, dass es „weniger als eine Milliarde“ sein wird.

Gleichwohl werden sich die Kosten für den einst mit 2,5 Milliarden Euro kalkulierten BER – bereits bewilligt: 6,5 Milliarden Euro – damit den acht Milliarden Euro nähern. Das offiziell mit weiteren 2,3 Milliarden Euro bis 2030 kalkulierte BER-Erweiterungsprogramm, das die FBB selbst stemmen will, ist noch nicht dabei. Und die Antwort lässt auf weitere drohende Minen, Hürden und Probleme schließen.

So schließt der Bund ausdrücklich nicht aus, dass bei neuen öffentlichen Finanzspritzen wieder erst eine Erlaubnis der EU eingeholt werden müsste: „Ob ein neues Notifizierungsverfahren erforderlich sein wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden, da Art und Umfang weiterer Finanzierungsmaßnahmen derzeit nicht feststehen.“ Und der Umfang kann noch wachsen, weil der Schallschutz für die Anwohner am BER offenbar teurer wird als kalkuliert.

Bislang sind in den Etats dafür 730 Millionen Euro für rund 26 000 Wohnungen reserviert. Laut Antwort sind davon 344 Millionen Euro bereits ausgegeben, 47 Prozent, also fast die Hälfte des Etats. Doch erst für 7651 Wohnungen, knapp 30 Prozent, wurde nach dem letzten offiziellen Schallschutzbericht (Dezember 2017) der Schallschutz umgesetzt. Für 5000 Wohnungen wurde noch kein Antrag gestellt.

Auch auf der Baustelle lauern Risiken. Wie berichtet gibt es dort Verzögerungen im aktuellen Terminplan, werden sich die Bauarbeiten – sie sollten am 30. August 2018 fertig sein – nun mindestens bis zum Jahreswechsel 2018/19 hinziehen, womit Reservepuffer für den Eröffnungstermin schrumpfen. Und es gibt immer noch Planungsdefizite. „Die FBB teilt hierzu mit, dass Baufirmen () wiederholt auf Unvollständigkeiten und Fehler in der Ausführungsplanung hingewiesen hätten“, so die Bundesregierung. „Diese Mängel wurden und werden dann von den zuständigen Planern der FBB beseitigt.“ Auch in der Gegenwart noch.

Insgesamt haben die Baufirmen laut Bundesregierung seit der geplatzten Eröffnung 2012 rund 1,17 Milliarden Euro an Nachträgen in Rechnung gestellt, von denen 695,6 Millionen Euro anerkannt wurden. Allein seit 2015 waren es 380 Millionen Euro, davon 171,3 Millionen anerkannt. Und die Differenzen, so die Bundesregierung wieder unter Verweis auf die FBB, würden „stornierte, zurück gewiesene und in Prüfung befindliche Nachträge“ enthalten. Auch da kann es böse Überraschungen geben.

„Und die Bundesregierung als Miteignerin gibt sich ahnungslos“, kritisiert Stephan Kühn, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Ohne eine seriöse mittelfristige Finanzplanung dürfe es kein Geld für den Flughafenbau geben, „sonst bleibt der BER ein unbeherrschbares schwarzes Loch“. T. Metzner

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