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Brandenburg: Aufräumen im Olympia-Dorf

Die Plattenbauten aus Sowjetzeiten sollen weg – für den freien Blick auf historische Landschaftsarchitektur

Elstal - Wenn die Sowjetischen Truppen etwas gründlicher gewesen wären, dann gäbe es heute womöglich weniger Arbeit. Denn auf dem ehemaligen Stützpunkt in Elstal am westlichen Stadtrand von Berlin und nördlich von Potsdam, eigentlich in die Geschichte eingegangen als Olympisches Dorf von 1936, ist nach dem Fall der Mauer vieles zu Bruch gegangen. Fensterscheiben, Türen, Dachrinnen. Vieles davon haben die Soldaten verbockt, sagt Zeitzeuge Wladimir Siverin, der als Soldat das Ende der Besatzung miterlebt hat. „Sie sind frustriert gewesen, in die Heimat und damit ins Ungewisse abgeschoben zu werden“, sagt Siverin. „Dann kam ein bisschen Wodka dazu und schon gab“s Randale.“ Die Plattenbauten haben sie freilich nicht kaputt gemacht. Und die stehen jetzt im Weg.

Die DKB-Stiftung der gleichnamigen Bank macht sich jetzt daran, die kubistischen Kolosse aus der Landschaft zu nehmen. Mit einem einarmigen Bagger, der die Vierstöcker Platte für Platte auseinander pflückt, geht das beauftragte Unternehmen an den Start, und macht den Blick wieder frei für die malerische Landschaft und die von Werner March entworfene Architektur der 30er Jahre. Noch bis Ende April soll das dauern. Besucher sind herzlich willkommen., sich das Spektakel anzusehen.

„Historische Sichtachsen wieder herstellen“, nennt sich das. Und Jens Becker, Mitarbeiter der Stiftung, zeigt sie. Von der früheren und nach Beckers Hoffnung auch künftigen Saftbar aus soll der Blick möglichst bald wieder ausschweifen können. Becker teilt waagerecht mit seinem Arm die Luft vor sich. „Dort drüben sickert der See wieder nach oben“, sagt er. „Weil das Grundwasser nicht mehr abgepumpt wird.“ Eine Vierteldrehung rechterhand steht das Hindenburghaus – leider nicht sichtbar. Zwei Plattenbauten versperren die Sicht, sollen aber auch bald dran glauben. „An die haben wir uns noch nicht ran getraut“, sagt Beckers Kollege Christian Kischel, der als Verwalter zuständig ist. Die Wände der in den 70er Jahren aufgestellten Bauten seien mit Kamelit gestopft, einem Baustoff aus DDR-Zeiten, der als Krebs erregend gelte. „Deswegen können wir auch nicht sprengen“, meint Kischel. Die ganze Umgebung wäre bei einer Explosion voll von den Mineralwoll-Fasern. „Da müssen Leute mit Schutzanzügen und Atemmaske rein und den Dämmstoff von den Wänden kratzen“, sagt Kischel.

Ein gutes Dutzend Plattenbauten ist es, das noch das Gesamtbild des musealen olympischen Dorfes verdirbt. Das einstöckige, verglaste „Russische Café“ liegt hingegen schon in seine Einzelteile zerlegt auf drei Recycling-Haufen. Das Geld sei knapp bemessen, sagt Becker. Nur weil eine Bank hinter der Stiftung stehe, heiße das nicht, dass unbegrenzt Mittel da wären.

Die alte Schwimmhalle in ihrem erbärmlichen Zustand könnte Beleg sein für diese Aussage: Wo früher die Sportler um Bestzeiten wetteiferten, ficht heute die DKB-Stiftung einen Wettlauf mit der Zeit aus. 1993 hat sie in Flammen gestanden. Wahrscheinlich haben Kinder den Brand gelegt, die Ermittlungen seien irgendwann eingestellt worden, sagt Becker. Der Regen hat an zahllosen Stellen den Dachstuhl faulen lassen. Die Wellasbestplatten, die der Wind bis jetzt oben gelassen hat, sollen demnächst entfernt werden, sagt Becker. „Die Erhaltung der Schwimmhalle würde die kompletten Finanzen kosten, die derzeit verfügbar sind“, sagt Becker. „Dann müssten wir andere Bauten vernachlässigen.“

Das Speisehaus der Nationen zum Beispiel, das als Prachtbau der Anlage gilt: In dem ellipsenförmigen Gebäude, das von oben wie ein Auge aussieht, hatte zu Olympiazeiten jede Nation seinen eigenen Speiseraum. Oder die Bastion, das kreisförmige Rondell mit der Saftbar und Schilfdach, von der aus fast die komplette Anlage einsehbar ist. Oder die Sportlerunterkünfte: Das Zimmer von Sprintlegende Jesse Owens, der 1936 vier Goldmedaillen holte, ist originalgetreu hergerichtet. Und schließlich das Hindenburghaus, in dem die Sportler die ersten Fernsehübertragungen der Spiele im Berliner Olympiastadion verfolgen konnten. Später tanzten hier sowjetische Soldaten nach Balalaika- Klängen. Noch heute sind dort Wandgemälde zu sehen, die abblätternderweise von den Ruhmestaten während des Großen Vaterländischen Krieges erzählen.

Andreas Wilhelm

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