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Rund 250 Menschen kamen am Dienstagabend zu einer von den Linken angemeldeten Demo in Potsdam.

© Andreas Klaer

Aufnahme von Ortskräften: Hilfe aus Brandenburg für afghanische Helfer

Brandenburg übernimmt die Erstaufnahme von afghanischen Ortskräften. Die Linke fordert zudem ein Aufnahmeprogramm für Flüchtlinge.

Potsdam - Es ist eine Ironie der Geschichte: Von Brandenburg aus war der kürzliche abgeschlossene Auslandseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan mit koordiniert worden. Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr mit Sitz im Schwielowseer Ortsteil Geltow hat eine zentrale Rolle für Auslandseinsätze. Aus Schwielowsee wird die personelle und materielle Einsatzbereitschaft der Kontingente gewährleistet. Erst Ende Mai war im „Wald der Erinnerung“ des Einsatzführungskommandos ein Gedenkstein errichtet worden. Der Findling, der seit 2007 in Masar-i-Scharif in Afghanistan stand, soll in Deutschland an die im Norden des Landes gefallenen Soldaten erinnern. 
Nun wird das Land Brandenburg die Erstaufnahme afghanischer Ortskräfte, die unter anderem die Bundeswehr unterstützt haben und nach der Machtübernahme der Taliban in Gefahr sind, in Deutschland organisieren. Die Zentrale Ausländerbehörde mit Sitz in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) habe alle Vorbereitungen getroffen, teilte das Innenministerium am Dienstag in Potsdam mit. Die ersten Ortskräfte würden am frühen Donnerstagmorgen erwartet. Danach werde mit weiteren Ankömmlingen alle ein bis zwei Tage gerechnet. 

Stübgen appelliert an die Bundesregierung 

„Brandenburg hat die Kapazitäten und Brandenburg steht bereit. Das haben wir dem Bundesinnenministerium mitgeteilt“, so Innenminister Michael Stübgen (CDU). Brandenburg könne sich aber nur um Menschen kümmern, wenn sie vorher aus Afghanistan gerettet wurden. „Ich erwarte daher von der Bundesregierung, dass sie alles unternimmt, um so viele zu retten wie möglich. Deutschland darf seine afghanischen Helfer nicht im Stich lassen“, sagte der CDU-Politiker an die Adresse der von Union und SPD geführten Bundesregierung. Die Ankommenden erhalten in Eisenhüttenstadt ein Hygienepaket, bei Bedarf medizinische Unterstützung und Kleidung. Momentan werde von drei bis vier Tagen Aufenthaltsdauer in der Erstaufnahme ausgegangen. Bei Ankunft erfolge bei allen Personen ein Corona-Schnelltest. Falls notwendig könnten Quarantänebedingungen für bis zu 200 Personen gestellt werden. Vor der Weiterleitung in andere Bundesländer sei zusätzlich ein PCR-Test vorgesehen.  Wie das Innenministerium mitteilte, leben derzeit 8347 afghanische Staatsbürger in Brandenburg. 760 seien in diesem Jahr neu gekommen. In knapp 290 Fällen wären die Menschen eigentlich ausreisepflichtig. 

Linke: Mindestens 500 Flüchtlinge müssten aufgenommen werden  

Angesichts der dramatischen Lage der afghanischen Ortskräfte von Bundeswehr und Entwicklungshilfe-Organisationen haben sich die meisten Fraktionen im Landtag am Dienstag für die Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen. Einzig die AfD-Fraktion verwies darauf, dass den Ortskräften allein vor Ort geholfen werden müsse. Die oppositionelle Linke-Fraktion forderte ein Landesaufnahmeprogramm für mindestens 500 Flüchtlinge. „Das muss für die Ortskräfte der Bundeswehr gelten, aber genauso für die Helfer der Nichtregierungsorganisationen“, sagte Linke-Fraktionschef Sebastian Walter. Zudem müsse die Landesregierung Druck auf die Bundesregierung ausüben, damit die verzweifelten Menschen in Deutschland Aufnahme fänden. Die Linke-Fraktion will kommende Woche im Landtag einen entsprechenden Antrag einbringen. Walter verwies auf das Recht auf Asyl, das im Grundgesetz verbrieft sei. „Wir haben Platz in Brandenburg, für Menschen, die fliehen vor Tod und Verfolgung.“ 

CDU und SPD setzen auf "Hilfe vor Ort" 

Dagegen erklärte CDU-Fraktionschef Jan Redmann, wichtig sei eine Unterstützung der Nachbarländer Afghanistans, um die Flüchtlinge dort humanitär zu versorgen. Aktuell gehe es auch nicht um die Aufnahmebereitschaft der Länder. „Das Nadelöhr ist derzeit in Kabul und das Problem ist, an die Menschen heran zu kommen“, sagte er. „Weitere Aufnahmeprogramme führen nicht dazu, dass mehr Menschen geholfen werden kann.“ Auch SPD-Fraktionschef Erik Stohn betonte, dass man humanitäre Hilfe in den Nachbarländern Afghanistans leisten müsse. „Es ist wichtig, Hilfe vor Ort zu leisten.“ Dazu müsse es auch Verhandlungen mit den Taliban geben.  „Wir hoffen, dass die Menschen dort überhaupt rauskommen“, sagte hingegen der Fraktionschef von BVB/Freie Wähler, Péter Vida. „Jetzt müssen wir die Menschen erstmal so schnell wie möglich herholen“, erklärte auch Grünen-Fraktionschefin Petra Budke.  Dagegen sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Dennis Hohloch, es dürfe „kein neues 2015“ geben, als etwa 1,4 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland kamen. „Man muss den Menschen helfen, aber vor Ort. Es kann nicht darum gehen, diese Menschen hierher zu holen.“ 

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Flüchtlingsrat fordert auch auf Anfnahme von Künstlern

Der Flüchtlingsrat Brandenburg sprach sich dafür aus, neben der Aufnahme von Ortskräften und Mitarbeitenden von Hilfsorganisationen auch Wissenschaftler:innen, Künstler:innen und Journalist:innen aufzunehmen. „All denjenigen, die sich für die Menschenrechte in Afghanistan stark gemacht haben, muss jetzt geholfen werden“, sagte Vincent da Silva vom Flüchtlingsrat Brandenburg der Deutschen Presse-Agentur. (mit dpa)

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