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Update

Asylpolitik: Härtefallkommission kritisiert Innenminister Schröter

Keiner beschied so viele Hilfeersuchen negativ wie er: Die Härtefallkommission wirft SPD-Innenminister Schröter zu rigoroses Vorgehen gegen Asylsuchende vor und setzt ihre Arbeit bis zum Ende seiner Amtszeit aus.

Potsdam - Der Ruf, gerade in Asylfragen ein harter Law-and-Order-Politiker zu sein, eilte Karl-Heinz Schröter schon voraus, als er vor fünf Jahren zum Innenminister ernannt wurde. Als Landrat von Oberhavel hatte der SPD-Politiker an Asylbewerber Gutscheine statt Bargeld ausgeben lassen. Nun zieht die Brandenburger Härtefallkommission zum Ende von Schröters Amtszeit eine negative Bilanz seiner Asylpolitik – und setzt ihre Arbeit so lange aus, bis ein neuer Minister ernannt ist.

In einem am Wochenende versandten Offenen Brief werfen die Mitglieder der Kommission Schröter vor, zu viele Gesuche gegen eine Abschiebung abgelehnt zu haben. Bei Schröters Vorgängern habe die Ablehnungsquote bei zehn Prozent gelegen. In Schröters Amtszeit bei 25, in den vergangenen Monaten sogar bei 50 Prozent, heißt es in dem Brief. Von zuletzt acht Ersuchen der Härtefallkommission habe Schröter vier abgelehnt.

Es entstehe ein Eindruck von Willkür

Die Ablehnung habe Schröter nicht nachvollziehbar begründet. „Daher kann der Anschein der Willkür entstehen. Unserer Auffassung nach wird diese Vorgehensweise den gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht“, schreiben die Kommissionsmitglieder. Schröters Vorgehen sei vielmehr geeignet, „das Ansehen des Landes Brandenburg als tolerantes Land, in dem Menschen in besonderen Härtefällen ein Bleiberecht erhalten, und den guten Ruf der Härtefallkommission zu gefährden“.

Die Härtefallkommission besteht seit 2005. In ihr sind die Kirchen, kommunale Vertreter, die Liga der Wohlfahrtsverbände, der Flüchtlingsrat Brandenburg, das Sozialministerium sowie die Integrationsbeauftragte des Landes vertreten. Die Kommission berät, ob die Abschiebung der betroffenen Person aufgrund dringender humanitärer oder persönlicher Aspekte eine besondere Härte bedeuten würden. Entscheidet sie positiv, richtet sie ein Härtefallersuchen an den Minister. Dieser entscheidet, ob er dem Ersuchen zustimmt. 

Auch den "Büffelflüsterer" lehnte er ab

Konkrete Beispiele dürfe er so detailliert nicht nennen, erklärt Franz Josef Conraths, der für die katholische Kirche in der Kommission sitzt, auf Nachfrage. Die Menschen, die sich an die Kommission wenden, haben einen Anspruch auf Vertraulichkeit. In einem Fall sei es aber beispielsweise um einen Mann gegangen, der in seinem Herkunftsland von Kindheit an mit Wasserbüffeln vertraut gewesen sei. Er habe in Brandenburg in einem landwirtschaftlichen Betrieb eine neue Heimat gefunden, habe seinen Lebensunterhalt durch die Arbeit mit den Wasserbüffeln verdient. „Er versteht so viel von den Tieren, dass man ihn den ,Büffelflüsterer’ nennt“, sagt Conraths den PNN. Er selbst, sein Arbeitgeber und sein Umfeld möchten, dass er bleiben kann. In seinem Herkunftsland fehle ihm die Existenzgrundlage. Die Härtefallkommission wandte sich mit einem entsprechen Ersuchen an den Innenminister – das dieser ablehnte.

Schröters Agieren verdeutliche auch seine Geringschätzung der Arbeit der Kommission, heißt es in dem Brief. Dabei setzte sich die Kommission aus Menschen zusammen, die mit ihrer Kompetenz in der Lage seien, jeden Fall unter einer großen Vielfalt von Aspekten zu erörtern. 

Innenminister Schröter wies die Kritik auf PNN-Anfrage "mit aller Entschiedenheit" zurück. Bei allen Härtefällen seien die rechtlichen Wege ausgeschöpft, so Schröter. Es gehe einzig und allein darum, abzuwägen, ob die Aufforderung, Deutschland zu verlassen, eine besondere menschliche Härte darstelle oder nicht. Fachkräftemangel als Entscheidungskriterium heranzuführen, sei irreführend. Dass seine Entscheidungen bei den Mitgliedern der Härtefallkommission nicht immer auf Zustimmung gestoßen seien, liege in der Natur der Sache, so der Innenminister weiter. Die Kriterien der Entscheidungen seien anhand jedes  Einzelfalls abzuwägen und könnten aufgrund der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen nicht öffentlich begründet werden. "Weil jeder Fall individuell betrachtet werden muss, kann er auch nicht mit anderen Fällen verglichen werden. Und weil es sich um individuelle Fälle handelt, führt auch ein Vergleich mit Entscheidungen meiner Vorgänger in die Irre", so Schröter.

Dem Nachfolger sieht man positiv entgegen

Schröters Tage als Innenminister sind ohnehin gezählt. Die CDU bekommt in der künftigen Kenia-Koalition das Innenressort. Am 20. November sollen die neuen Minister vereidigt werden. Der CDU-Verhandlungsführer und kommissarisch Unionschef Michael Stübgen soll den Posten übernehmen. Nach PNN-Informationen war es Bedingung der SPD in den Verhandlungen, dass der derzeit stärkste Mann der CDU das wichtige Innenministerium übernimmt. Anderenfalls, so heißt es, hätten die Sozialdemokraten das Ressort behalten – mit der derzeitigen Innenstaatssekretärin Katrin Lange als Ministerin. 

Stübgen war früher evangelischer Pfarrer, dürfte also einen Draht zu den kirchlichen Vertretern der Kommission haben. Einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der künftigen Leitung des Ministeriums sehe man zuversichtlich entgegen, heißt es zum Ende des Offenen Briefs. Was in dem Brief keine Rolle spielt: Schröters Amtsperiode fällt in der Zeit der größten Flüchtlingszuzüge. Seine SPD-Vorgänger Ralf Holzschuher, Dietmar Woidke und vor 2009 CDU-Minister Jörg Schönbohm dürfte es in Asylfragen also leichter gehabt haben als Schröter. 

Im Kenia-Koalitionsvertrag ist nun eine Art „Abschiebepolitik light“ verabredet, ein Kompromiss zwischen den sich eigentlich diametral gegenüberstehenden Positionen von CDU und Grünen. Flüchtlinge und Asylsuchende, bei denen Verfahren ergeben, dass sie nicht in Deutschland bleiben können, müssen das Land verlassen, heißt es darin. Dabei habe die freiwillige Rückkehr aber immer den Vorrang vor Abschiebungen. Die Anordnung von Abschiebehaft könne nur die Ultima Ratio sein. Priorität für die Koalition habe die Abschiebung von Gefährdern. Gleichzeitig haben SPD, CDU und Grüne ein Aufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Menschen beschlossen. 
 

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