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Neue Heimat? Das Schullandheim (links die Bungalows für Flüchtlinge) liegt direkt am Senftenberger See.

© Sandra Dassler

Brandenburg: Asyl mit Seeblick

In Senftenberg sollen Flüchtlinge in einem Schullandheim direkt am Strand untergebracht werden. Es gebe auch andere Möglichkeiten, sagen viele Anwohner – doch der Landrat sieht keine Alternative

Von Sandra Dassler

Senftenberg - „Kein Kommentar“, sagt der ältere Mann hinter dem Tresen. Er klingt genervt: „Ich will nichts mehr davon hören, hab‘ genug von dem Thema.“

Der Tresen steht in einer kleinen Ausflugsgaststätte direkt am Senftenberger See. Ein Dutzend Besucher hat es sich in der immer noch warmen Herbstsonne gemütlich gemacht, die bunten Blätter der Bäume spiegeln sich im Wasser, es gibt wie in alten Zeiten Soljanka und Würzfleisch – und nur ein Thema: Gleich nebenan, nur durch einen Fahrradweg vom Strand getrennt, sollen demnächst Flüchtlinge untergebracht werden.

„Wir sind nicht ausländerfeindlich“, sagt ein Spaziergänger am See. „Aber hier waren immer Kinder aus sozial schwachen Familien untergebracht. Denen nimmt man das Heim weg.“

Das stimmt nur zur Hälfte. Tatsächlich diente das Schullandheim „Am Alten Wehr“ als Ausflugsziel für Kinder, allerdings nicht nur aus sozial benachteiligten Familien. Vielmehr haben vor allem Schulklassen hier gebucht. Doch nun hat der Landkreis Oberspreewald-Lausitz das Schullandheim ausgewählt, um etwa 70 Flüchtlinge unterzubringen. „Die Zahl der dem Landkreis zugewiesenen Asylbewerber hat sich noch einmal von 170 auf 261 erhöht“, sagt die Sprecherin des Landkreises, Sarah Werner: „Und vielleicht kommen noch mehr.“ 140 Flüchtlinge seien bereits in Heimen in Sedlitz und Lauchhammer sowie in Wohnungen untergebracht, für 121 Menschen müsse eine schnelle Lösung gefunden werden.

Zwar plane man eine dritte dauerhafte Unterkunft im Norden des Landkreises, aber kurzfristig sei es schwierig, geeignete Objekte zu finden, sagt Sarah Werner: „Da gelten viele Vorschriften, so müssen Brandschutzbestimmungen eingehalten werden.“ Das Heim sei von Landrat Siegurd Heinze (parteilos, für CDU) ausgewählt worden, weil es die Voraussetzungen erfülle. Das sehen viele Senftenberger anders. „Die Kinder waren nur im Sommer hier“, sagt eine Frau: „Die Bungalows sind nicht winterfest, und die Menschen kommen aus warmen Ländern, sie werden frieren. Außerdem leben die hier wie auf einem Präsentierteller.“

Tatsächlich ist die Anlage des Schullandheims sehr offen gehalten: Ein kleiner Zaun umsäumt die Bungalows, Spielplätze und das feste Hauptgebäude, in dem 30 Schlafplätze zur Verfügung stehen. In einem Nebengebäude gebe es einen Gemeinschaftsraum, außerdem sollen Küchen eingerichtet werden, sagt die Landkreissprecherin: „Und die Bungalows sind mit Elektroheizkörpern ausgestattet, derzeit wird geprüft, ob das für den Winter ausreicht.“

Dass man in der Stadtverwaltung Senftenberg von den Plänen des Landrats überrascht worden sei, will eine Sprecherin nicht bestätigen. Zuständig sei das Landratsamt. Dort geht man offensiv mit der Thematik um, verweist auf einer Homepage darauf, dass die Betroffenen in ihren Heimatländern teilweise großes Leid erlebt haben und dass die meisten Bürger helfen, sie zu integrieren. Das gelte für Fußballvereine wie für Schüler, die Spielzeug sammeln, oder Lehrer, die Sprachkurse geben. Auf Proteste aus der Bevölkerung, die vor allem in sozialen Netzwerken wie Facebook, aber auch in Briefen und Mails an die Behörden geäußert wurden, hat der Landrat bisher gelassen reagiert. Er vertritt die Ansicht, dass sich ein Standort, mit dem alle einverstanden seien, nur schwer finden lasse. Das aber bezweifeln viele Senftenberger. Sie verweisen auf leer stehende Wohn- und Verwaltungsgebäude in der Stadt. Auch die Argumentation, wonach das Schullandheim außerhalb Senftenbergs nur an einem Radweg liege, löst Kopfschütteln aus: „Der Radweg ist stark befahren und begangen“, sagt ein Mann: „Schließlich ist das hier eine wunderbare idyllische Lage. Außerdem sind hunderte Kleingärten gleich nebenan.“ Er zögert kurz: „Natürlich haben da manche Angst vor Diebstählen ...“ Seine Frau stößt ihn an: „Da haben wir von den Flüchtlingen wahrscheinlich weniger zu befürchten als von den Banden aus unseren Nachbarländern“, sagt sie: „Die Asylbewerber kommen aus den Kriegsgebieten, irgendwo müssen sie ja bleiben.“

Auf ähnliche Einsicht bei den Senftenbergern hofft man auch im Landratsamt. „Es wird Informationsveranstaltungen geben und auch andere Möglichkeiten, wo Einwohner ihre Bedenken äußern können“, sagt Sarah Werner: „Am 6. November soll ein Sonderkreistag über die Nutzung des Schullandheims entscheiden.“

Bislang kommen die meisten Flüchtlinge im Landkreis aus Syrien, gefolgt von Afghanistan, Irak und Somalia. Im Gegensatz zur Situation Anfang der 90er Jahre, als Asylbewerbern offener Hass entgegenschlug, gibt es inzwischen überall im Land Bürgerinitiativen und Runde Tische zur Unterstützung der Flüchtlinge. So helfen Mitglieder des Jugendklubs „Bunte Zora“ in Lauchhammer syrischen Familien. Erst am vergangenen Wochenende haben die jungen Leute ein Willkommensfest im neuen Flüchtlingsheim organisiert. Mit Asylbewerbern, aber auch mit skeptischen Nachbarn. Sandra Dassler

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