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Außenwirkung. Lars Krückeberg vom Büro Graft hat für die Biennale den Berliner „Checkpoint Charlie“ als städtische Attraktion in den Blick genommen.

© F. Denkeler (promo)

Architekturbiennale: Menschen, die auf Mauern starren

Bei der Architekturbiennale in Venedig präsentiert Deutschland 28 Projekte zur deutsch-deutschen Teilung, vor allem aus Berlin.

Von Markus Lücker

Berlin/Venedig - Fast könnte man den deutschen Architekten Ideenlosigkeit vorwerfen. Für die vorige Architekturbiennale in Venedig wurden vor zwei Jahren noch vier Wände aufgestemmt, um den einst von den Nationalsozialisten umgebauten deutschen Pavillon nach außen zu öffnen. Die Wände des denkmalgeschützten Gebäudes sind mittlerweile wieder zugemauert. Stattdessen sollen die Mauern in diesem Jahr gedanklich abgebaut werden.

„Unbuilding Walls – Vom Todesstreifen zum freien Raum“ lautet das Motto, unter dem das dreiköpfige Architekturbüro Graft den Pavillon für die 16. Biennale konzipiert hat. Vierte im Kuratorenteam ist die ehemalige Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler. Gemeinsam wählten sie architektonische Projekte aus, die sich im weitesten Sinne mit der innerdeutschen Trennung in Ost und West und dessen Nachwirkungen auseinandersetzen.

Das Graft-Team und Birthler erweisen sich dabei als Freunde von Zahlenspielereien. Vorgestellt wurde das Konzept am Montag in der Gedenkstätte Berliner Mauer – pünktlich zur Zeitengleiche. 28 Jahre hat die Mauer gestanden, seit 28 Jahren ist die Mauer wieder weg und 28 Projekte sollen nun im deutschen Pavillon in Venedig auf verschiedene Weisen präsentiert werden.

Projekte zu grenznahen Dörfern

Eines dieser Projekte sind die Überbleibsel grenznaher Dörfer, die mittlerweile von der Natur verschluckt wurden. 1952 und 1961 siedelte die SED mehr als 11.000 Menschen aus diesen Orten unter Zwang um. Betroffen gewesen seien vorrangig Familien, die als nicht-linientreu galten. Später wurden einige dieser Dörfer komplett abgerissen, nicht alle Enteignungen wurden später von der Bundesregierung rückgängig gemacht. Ein weiteres Projekt ist der Checkpoint Charlie. Der ehemalige Übergang zwischen dem amerikanischen und dem russischen Sektor Berlins ist bei den meisten Einheimischen mittlerweile als Touristenschauspiel verschrien. Lars Krückeberg vom Büro Graft hingegen betonte bei der Präsentation der Biennale-Pläne die Außenwirkung solcher Attraktionen. Ob man nach Peking komme oder nach Los Angeles: Der Blick des Auslands auf Berlin sei geradezu fokussiert auf den Mauerfall. „Da kondensieren sich Sehnsüchte und Projektionen.“

Mit dieser Perspektive umzugehen sei ein zentraler Gedanke für „Unbuilding Walls“ gewesen. Dabei wolle man die verschiedenen architektonischen Formen zeigen, die sich aus dem Mauerfall ergeben haben. „Eine Mauer verlangt einen Masterplan, aber das Wegnehmen ist dann sehr viel komplexer.“ Entsprechend heterogen sei die Architektur, die sich aus den Freiräumen entwickelt hat: Die jüngsten Projekte sind der Neubau der Axel-Springer-Verlagszentrale zwischen Schützen-, Zimmer- und Jerusalemer Straße, wo einst die Mauer verlief, und das Grüne Band – ein 10 000 Kilometer langer Radweg entlang der Westgrenze der Warschauer Vertragsstaaten. Mit der Beziehung zu Freiräumen schließen die Kuratoren an das Überthema der 16. Architekturbiennale an. Die beiden Hauptkuratorinnen Yvonne Farrell und Shelley McNamara haben für die Ausstellung vom 26. Mai bis 25. November 2018 das Thema „Freespace“, also Freiraum, festgelegt.

Grenze zwischen Mexico und den USA wird thematisiert

Den Übergang von der historischen Perspektive zu aktuellen Debatten wollen das Graft-Team und Birthler durch heutige Mauerprojekte schaffen. Die Grenze zwischen Mexiko und den USA soll thematisiert werden, Israel und Palästina, Nordkorea und Südkorea. Aber auch die Konflikte an den EU-Außengrenzen, auf Zypern und zwischen Irland und Nordirland wollen die Kuratoren einbinden. Dafür wurden Kamerateams um die Welt geschickt, die mit Menschen auf beiden Seiten der Grenzen gesprochen haben. Aus den Filmen soll eine „Wall of Opinions“ entstehen – eine Meinungsmauer. Mehr Details über die Pläne zum Aufbau des deutschen Pavillons wollten die vier noch nicht preisgeben: „Sonst kommt ja nachher keiner mehr.“ Man plane eine klassische Architekturausstellung mit Projekten, die durch politische Debatten unterfüttert werden.

Mehr als 20 der vorgestellten 28 Projekte sollen aus Berlin stammen. Bei der Präsentation in der Gedenkstätte löste das ein Raunen aus. Die Kuratoren erklärten: Man habe im urbanen Ballungsraum einfach mehr interessante Projekte gefunden und versucht „die besten Repräsentanten für die unterschiedlichen Themen, die wir in den letzten 28 Jahren erlebt haben“ auszuwählen, sagte Wolfram Putz von Graft.

Es gäbe aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. So seien etwa die Themen digitale Grenzen und Zensursysteme wie in China ausgeklammert worden. Der durchschnittliche Besucher, erklären die Kuratoren, verbringe drei Minuten in der Ausstellung – da müsse man irgendwann Grenzen ziehen.

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