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Geübt wurde mit schwer ausgerüsteten Einsatzkräften.

© Patrick Pleul/dpa

Anti-Terror-Übung der Polizei in Brandenburg: Die Anschlagsserie beginnt in Potsdam

Brandenburg könne jederzeit von einem Terroranschlag erwischt werden, sagt Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke. Die PNN zeigen, wie sich die Polizei auf das Anschlagsszenario vorbereitet.

Bernau - "Hilfe! Hilfe!" Die verzweifelten Schreie einer Frau gellen durch den Innenhof des Hotels "Waldfrieden" in Bernau (Barnim). Die beiden Männer mit Sturmhauben und Kalaschnikows stürmen im Haus die Treppe nach oben. Schüsse fallen. Wieder Schreie. Die Terroristen haben Geiseln genommen. Wie viele ist unklar. Das Hotel ist fast ausgebucht, eine Tagung läuft. In dem Moment fährt ein Streifenwagen auf den Hof. Der Polizist steigt aus. Sofort eröffnen die Täter aus einem das Fenster das Feuer. Der Beamte bricht neben seinem Auto zusammen. Überall Blut. Ein Bauchschuss. In dem Moment rollt ein monströses Gefährt vor das Hotel. Ein ohrenbetäubender Knall. Polizisten des Sondereinsatzkommandos springen aus dem Survivor, einem gepanzerten Spezialfahrzeug, sichern die Kollegen, die mit Hilfe einer Leiter in ein Fenster im oberen Stockwerk einsteigen. Über dem Areal kreist ein mit einem Scharfschützen besetzter Polizeihubschrauber, eine Drohne überfliegt den Hinterausgang des Hotels. Dazwischen immer wieder Schreie, Hilferufe, Todesangst. Der Terror ist in Brandenburg angekommen. 

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Polizeipräsident Mörke: Ein Terroranschlag ist jederzeit möglich

"Es kann uns jederzeit erwischen", sagt Brandenburgs Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke. Er steht in sicherer Entfernung unter einem Pavillon, der die Delegation der auch aus Berlin und Polen angereisten Sicherheitsexperten vor Regen schützen soll, und beobachtet gemeinsam mit ihnen das Schlussszenario der groß angelegten Anti-Terror-Übung der Brandenburger Polizei. Mehr als 1000 Beamte - Streifenbeamte, Mitglieder der Sondereinheiten, Kriminalisten - übten zwei Tage lang unangekündigt für den Ernstfall: eine sechsköpfige islamistische Terrorzelle verübt einen Anschlag im Umland von Berlin. 

Auch einen Panzerwagen hatte die Polizei dabei.
Auch einen Panzerwagen hatte die Polizei dabei.

© Patrick Pleul/dpa

Das Szenario war an die Anschläge von Paris angelehnt

Angelehnt war die Übung mit dem Namen "ACT 2018" (Action contra Terror 2018) an die realen Terroranschläge im November 2015 in Paris mit mehreren Angriffszielen. Islamistische Terroristen überfielen das Bataclan-Theater während eines Rockkonzerts, griffen Cafés und Geschäfte an, nahmen Geiseln, töteten insgesamt 130 Menschen. "So etwas wollen wir bei uns nie erleben", sagt Mörke, aber die "abstrakte Gefahr" eines Anschlags, wie es im Polizeideutsch heißt, die gebe es auch in Brandenburg. Von einer niedrigen zweistelligen Zahl islamistischer Gefährder, die in Brandenburg leben, gehen die Sicherheitsbehörden seit einiger Zeit unverändert aus. Hinzu kommen Sympathisanten der Szene, sagt Mörke ohne eine Zahl zu nennen. Radikalisierte, die jederzeit einen Anschlag planen könnten. Darauf will die Brandenburger Polizei, die unter dem Eindruck der Attentate in anderen europäischen Ländern und auch Berlin, schon ihre Ausrüstung verstärkt, die Spezialeinheiten mit Kalaschnikow-sicheren Schutzwesten, Helmen sowie Maschinenpistolen vom Typ MP 7 eingedeckt hat, vorbereitet sein.

Es ereignet sich eine ganze Reihe von Anschlägen

Das Szenario beginnt in Potsdam: Der Staatsschutz bekommt über einen Nachrichtendienst die Information, dass sich in der Landeshauptstadt ein Gefährder mit einem Lieferanten treffen will, der Waffen aus Tschetschenien besorgt hat. Das mobile Einsatzkommando (MEK) observiert die Verdächtigen, beobachtet, wie sie in einem Baumarkt Zubehör zum Bau einer Sprengvorrichtung kaufen. Noch am Abend des 12. Novembers werden die beiden Tatverdächtigen in Linde (Oberhavel) festgenommen und verhört. Sie planten offenbar einen Anschlag auf ein Wasserwerk im ebenfalls in Oberhavel gelegenen Grüneberg, wollten das Wasser vergiften. Vier weitere Verdächtige sollen in die Anschlagspläne verwickelt sein, doch von ihnen fehlt jede Spur. Bundesweit werden die Wasserwerke gesichert. Doch die Terroristen suchen ein neues Ziel und verüben am Dienstagmorgen einen Anschlag auf eine Bildungsstätte in Liebenberg, zwei Terroristen werden getötet. In ihren Taschen findet sich ein Hinweis. Das war nicht alles: Der Terror geht weiter, in Bernau. Das SEK rast von Oberhavel in den Barnim zum (fiktiven) Hotel Waldfrieden, einem Hof am Rande eines Wohngebiets. Showdown. 

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Der schwer verletzte Streifenpolizist ist inzwischen von SEK-Kollegen vor Ort versorgt worden und wird aus der Schusslinie gebracht. Aus dem Hotel ist ein Schusswechsel zu hören. Die beiden Terroristen sind tot. Aber was, wenn sich Komplizen auf dem Gelände aufhalten? SEK-Beamte pirschen im Regen über den Hof, die Waffen im Anschlag, wachsam, die Gefahr witternd. Bewegt sich da etwas? Nein. Weiter. Das Areal ist gesichert, die Polizisten geben ihren Kollegen Feuerschutz, die nun mit den Geiseln aus dem Hotel kommen, die zum Schutz vor Schaulustigen maskiert sind. Die Befreiten laufen im Gänsemarsch, die Hände auf den Schultern des Vordermanns. Schließlich könne man nicht wissen, ob sich ein Terrorist als Geisel getarnt aus dem Hotel schleichen will, erklärt Nico Neuendorf, stellvertretender Leiter der Abteilung Spezialeinheiten bei der Brandenburger Polizei. Doch die Überprüfung zeigt: Gefahr gebannt. Die Hotelgäste sind in Sicherheit.

Geübt wurde auch die Koordination mit anderen Bundesländern

Nicht nur der Einsatz der Polizisten selbst, das Befreien der Geiseln und das Ausschalten der Täter mittels Platzpatronen und Farbmunition wurde am Montag und Dienstag geübt, sondern auch die Koordination mit anderen Bundesländern sowie der Umgang mit Hinweisen und Anrufen von Angehörigen. Die Anrufe wurden durch eine Klasse der Polizeiakademie Berlin und der Fachhochschule der Polizei in Brandenburg simuliert. 

Brandenburgs Innenstaatssekretärin Katrin Lange (links) und Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke waren mit dem Verlauf der Übung zufrieden.
Brandenburgs Innenstaatssekretärin Katrin Lange (links) und Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke waren mit dem Verlauf der Übung zufrieden.

© Patrick Pleul/dpa

Mörkes Fazit der aufwendigen, seit Monaten geplanten Übung: "Wir können das." Die Detailauswertung werde rund drei Wochen in Anspruch nehmen und sicher werde es Abläufe geben, die verbessert werden können. Darüber soll aber nicht informiert werden - um potenziellen Terroristen keine Angriffsfläche zu bieten.

Um die Polizei in die Lage zu versetzen, noch effektiver gegen Terrorismus vorzugehen und Anschlagspläne zu vereiteln, sei das geplante neue Polizeigesetz dringend nötig, betonte Brandenburgs Innenstaatssekretärin Katrin Lange (SPD) in Bernau. Der Gesetzentwurf, der einen Passus zu Terrorismus enthalten und zum Beispiel ermöglichen soll, Gefährder bis zu vier Wochen in Gewahrsam zu nehmen, ist aber heftig umstritten. Am Wochenende folgten in Potsdam rund 1000 Teilnehmer dem Demo-Aufruf eines Bündnisses von linken Gruppierungen und Grünen gegen das neue Polizeigesetz. 

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