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An der Gedächtniskirche. Der Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz ist bereits eröffnet. Dort wird am 19. Dezember auch der Opfer des Terroranschlags gedacht.

© Bernd v. Jutrczenka/dpa

Anschlag am Breitscheidplatz: Lähmendes Leiden

Hartmut Hüsges Gatte ist seit dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gelähmt. Zur seelischen Qual kommen für ihn hohe Kosten dazu.

Berlin - Hartmut Hüsges wollte einen privaten Rahmen, deshalb sollte niemand von der Klinikleitung auftauchen. Das war seine Bitte an die Führung des Krankenhauses in Berlin-Tegel. Und so stand er dann allein mit Kurt Beck am Bett von seinem Mann. Sascha Hüsges kann nicht sprechen, er kann nur mit den Augen blinzeln, sein Körper ist gelähmt.

Der 19. Dezember 2016, der Tag, an dem der islamistische Attentäter Anis Amri mit einem Lkw auf dem Berliner Breitscheidplatz zwölf Menschen tötete und mehr als 60 verletzte, war der Tag, an dem sich das Leben des Ehepaars Hüsges dramatisch änderte. Sascha Hüsges ist eines der Opfer des Anschlags.

Deshalb stand auch Kurt Beck an seinem Bett. Er hatte Hartmut Hüsges gebeten, dass er ihn ins Krankenhaus begleiten darf. Der frühere rheinland-pfälzische Ministerpräsident ist Beauftragter der Bundesregierung für die Opfer und Hinterbliebenen des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz.

Keine Kritik an Kurt Beck

„Herr Beck hat sich sehr schnell gemeldet“, sagt Hartmut Hüsges. „Kurz nachdem er als Opferbeauftragter sein Amt angetreten hatte. Ich habe ihn insgesamt drei Mal gesehen, es waren sehr gute Gespräche.“ Nein, an Kurt Beck möchte Hartmut Hüsges keine Kritik üben. Aber die Vorwürfe, die alle zwölf Familien der Todesopfer an Bundeskanzlerin Angela Merkel (siehe unten stehenden Bericht) richten, „die kann ich im Großen und Ganzen teilen“.

Sascha Hüsges ist kein unmittelbares Opfer des Anschlags. Der Lkw kam ein paar Meter vor ihm und Hartmut Hüsges zum Stehen. Sascha Hüsges rannte zum Tatort, um zu helfen. Wenige Minuten später kam er benommen zurück, irgendetwas hatte ihn am Kopf getroffen. Kurz darauf brach er zusammen. Diagnose: schwere Hirnblutung.

Der Opferbeauftragte Beck leistete in seinen Gesprächen moralische Hilfe. „Aber unsere Wünsche müssen die politisch Verantwortlichen erfüllen“, sagt Hartmut Hüsges. Sein Wunsch: eine finanzielle Kompensation dafür, „dass unser Lebensplan durcheinander geraten ist“. Er hat Geld aus dem Härtefallfonds erhalten, „aber das deckt bei weitem nicht die Kosten“. Derzeit erhalten Angehörige von Opfern eine Direkthilfe von 10.000 und einen Schadensausgleich von 25.000 Euro. Kurt Beck plädiert dafür, diese Summen deutlich zu erhöhen. Er plädiert dafür, weil er viele solcher Gespräche wie mit Hartmut Hüsges geführt hat.

750.000 Euro Kosten

Die Kosten durch die tragischen Ereignisse liegen schon jetzt bei 750.0000 Euro, hat Hüsges ausgerechnet. Der Volkswirt hat einen Bungalow gekauft, damit er mit seinem Mann später ebenerdig wohnen kann. Er muss das Haus behindertengerecht ausstatten, er hat ein behindertengerechtes Auto gekauft, und das sind ja nur die Investitionen, die erstmal notwendig sind, damit der Alltag bewältigt werden kann.

Aber das ist noch nicht alles. „Ich muss uns ja auch später noch versorgen“, sagt Hüsges. Er ist jetzt 62, er wollte eigentlich, ganz regulär, in vier Jahren und zehn Monaten in Rente gehen. Dieser Plan ist von Amri zerstört worden. „Ich kann aber frühestens in zwei Jahren gehen.“

Dann hat er mehr Zeit für seinen Mann, einerseits. Andererseits verschärft sich ein anderes Problem: „Ich muss ja erhebliche finanzielle Einbußen hinnehmen.“ Wobei Hüsges natürlich auch sagt, dass das Leben seines Mannes auch mit noch so viel Geld nicht entschädigt werden könne.

Das ist die emotionale, die abstrakte Ebene, die vollkommen richtig ist. Aber es gibt ja auch die reale, die finanzielle Ebene. Hüsges sagt, dass er die meisten Kosten wohl nicht ersetzt bekomme.

Ende Januar soll Sascha Hüsges entlassen werden, so ist zumindest die Planung. Aber Hartmut Hüsges ist auf alles vorbereitet. „Vielleicht dauert es auch Wochen länger.“

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