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Brandenburg: Angeklagte zunehmend unglaubwürdig Wachsende Zweifel im Prozess um tote Babys

Frankfurt (Oder) - Die Zahnarzthelferin Jana S. dachte sich nichts Schlimmes, als sie im September 1998 ihre Kollegin fragte, ob diese schwanger sei: „Wir haben uns umgezogen und ich sah deutlich das runde Bäuchlein“, erzählt sie.

Von Sandra Dassler

Frankfurt (Oder) - Die Zahnarzthelferin Jana S. dachte sich nichts Schlimmes, als sie im September 1998 ihre Kollegin fragte, ob diese schwanger sei: „Wir haben uns umgezogen und ich sah deutlich das runde Bäuchlein“, erzählt sie. Doch die Kollegin wehrte erschrocken ab: Sie habe nur zu viel gegessen. Von da an zog sie sich nie mehr in Anwesenheit ihrer Kollegin um – und kündigte einige Wochen später ohne Angabe von Gründen. Jana S. hat ihre ehemalige Kollegin erst gestern im Gerichtssaal wieder gesehen: Sabine H., die, wie berichtet, zwischen 1988 und 1998 neun Babys unmittelbar nach ihrer Geburt getötet haben soll.

Die Angeklagte schwieg auch gestern, am fünften Tag des Prozesses gegen sie wegen Totschlags. Zugleich nahm die Zahl der Fragen, die die Verhandlung aufwirft, weiter zu. Die heute 40-jährige gelernte Zahnarzthelferin hatte sich offenbar immer andere Ausreden einfallen lassen, wenn sie gefragt wurde, ob sie schwanger sei. So erzählte sie einem Kollegen einer Firma, in der sie 1995 arbeitete, ihr Leibesumfang sei durch eine Bauchfellentzündung hervorgerufen worden. Einem Mann, mit dem sie Sex hatte, sagte sie, ihr kugeliger Bauch stamme noch von ihrer letzten Schwangerschaft. Das war im Jahr 2004 – also nicht zwischen 1988 und 1998, in der die neun Babys nach früheren Aussagen der Angeklagten bei der Polizei geboren worden sein sollen. Eine Nachbarin sagte gestern außerdem aus, sie habe Sabine H. 1998 und wieder um das Jahr 2000 herum ganz sicher schwanger gesehen. „Wir haben im Haus darüber geredet, dass man ihr die anderen Kinder nach der Geburt wahrscheinlich weggenommen hat, weil sie so stark trank.“

Angesichts dieser und weiterer Aussagen von vielen Zeugen, die nicht daran zweifelten, dass Sabine H. schwanger war, stellt sich für viele Prozessbeobachter immer mehr die Frage, warum ausgerechnet ihr langjähriger Ehemann nichts davon bemerkt haben soll. Der 43-jährige Oliver H. will nichts von den Schwangerschaften gewusst haben und verweigert bisher ebenfalls die Aussage im Prozess. Und Sabine H., die seit einigen Jahren von ihm geschieden ist, hat ihn nicht belastet. Áuch im Prozess hat die Staatsanwältin Anette Bagenda bislang keinerlei Anhaltspunkte gefunden, um den Ex-Ehemann juristisch zu belangen: „Es gibt keinen einzigen Zeugen, der uns einen Anhaltspunkt dafür geliefert hat, dass Oliver H. von den Schwangerschaften wusste.“

Der Prozess wird heute fortgesetzt. Sandra Dassler

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