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Rechtsaußen. Andreas Kalbitz von der AfD.

©  dpa

Andreas Kalbitz von der AfD: Gaulands Kronprinz von ganz weit rechts

Andreas Kalbitz soll einmal den AfD-Landeschef beerben. Seine Rechtsaußen-Vita schadet da nicht. Die Kritik der Landespolitiker Brandenburg an der AfD wird hingegen lauter.

Potsdam - Recht verwundern mag nichts mehr in der politischen Rechtsaußen- Vita des AfD-Landtagsabgeordneten und Fraktionsvize Andreas Kalbitz. Er ist der Kronprinz von Landespartei und Fraktionschef Alexander Gauland, gilt als potenzieller Nachfolger, sollte Gauland aus Altersgründen abtreten.

Kalbitz ist Vorsitzender eines fragwürdigen Vereins

Nun fand das RBB-Politmagazin „Klartext“ ein weiteres braunes Detail, das auch auf die AfD abfärbt. Es ist keine Sensation, aber doch rundet es das bisherige Bild von Kalbitz Aktivitäten in der rechten Szene ab. Seit einiger Zeit ist es im politischen Potsdam bereits Gespräch, nun machte „Klartext“ publik, dass Kalbitz Ende 2014 den Vorsitz des rechtsextremen Vereins „Kultur- und Zeitgeschichte, Archiv der Zeit“, gegründet im bayerischen Rosenheim, heute mit Sitz in Königs Wusterhausen, übernommen hat.

Das ist nicht irgendein Verein. Sein Gründer war Waldemar Schütz, einst Angehöriger der Waffen-SS und Hauptsturmführer der Leibstandarte Adolf Hitler, nach dem Zweiten Weltkrieg rechtsextremer Verleger und Mitglied im Bundesvorstand der NPD. Schütz war maßgeblich am Aufbau der rechtsextremistischen Nachkriegsstrukturen beteiligt. Zweck des Vereins war klar die Umdeutung der deutschen Geschichte. So zitiert „Klartext“ etwa den Aufruf zur Vereinsgründung: „Es besteht sogar die Gefahr, dass künftige Generationen von Deutschen () insbesondere die Zeit vor 1945 mit einer teuflischen Epoche gleichsetzen.“ Ziel war die „Sicherung eines wahren deutschen Geschichtsbildes und der Übermittlung der wirklichen deutschen Verhältnisse in den letzten 75 Jahren für die künftigen Generationen“. Der Verein publizierte von einem früheren NPD-Chef verfasste Schriften mit dem Titel: „Adolf Hitler – Verwandler der Welt“. Der Rechtsextremismus-Experte Hajo Funke sagt deshalb über Kalbitz: „Mit seiner Rolle in seinem Kulturverein zeigt er sich als Rechtsextremer.“

Tatsächlich war der Verein im Umfeld der rechtsextremen „Gesellschaft für freie Publizistik“ aktiv. Diese gilt als „größte rechtsextremistische Kulturvereinigung“ in Deutschland. Die 1969 von früheren SS-Mitgliedern gegründete NPD-nahe Gesellschaft hat nur ein Ziel: Die Zeit des Dritten Reiches reinwaschen.

In Brandenburg nie öffentlich in Erscheinung getreten

Auf Anfrage von „Klartext“ teilte der Bayerische Verfassungsschutz mit, dass der Behörde „eine Distanzierung des Vereins von einer rechtsextremistisch orientierten Geschichtsbetrachtung“ nicht bekannt sei. Nach Erkenntnissen des Brandenburger Verfassungsschutzes wies der von Kalbitz geführte Verein in der Vergangenheit Bezüge zu rechtsextremistischen Strukturen auf. Es seien Schriften rechtsextremistischer Autoren vom Verein vertrieben worden.Es gebe es aber seit mehr als zehn Jahren keine Hinweise mehr auf Aktivitäten des Vereins, der in Brandenburg bisher nie öffentlich in Erscheinung getreten sei.

Kalbitz selbst sagte dem RBB, dass „diese Leute, die da teilweise Mitglieder sind“, ihm „näher nicht persönlich bekannt“ seien. Es handle sich um einen relativ inaktiven Verein. „Ich hab da keine Tendenzen feststellen können“, sagte Kalbitz. Am Donnerstag ergänzte er, er überlege, den Vorsitz aufzugeben, weil der Verein kaum aktiv sei.

Gauland: "Ich weiß nicht, was eine rechtsextremistische Geschichtsschreibung ist"

AfD-Landes- und Fraktionschef Alexander Gauland gibt sich wie immer ahnungslos und beharrt darauf, dass seine Partei nicht mit Rechtsextremen oder der NPD paktiere. Dem RBB sagte er: „Ich weiß nicht, was eine rechtsextremistische Geschichtsschreibung ist.“ Und: „Wir haben überhaupt nichts mit rechtsextremen Parteien zu tun.“

Die Empörung bei den anderen Fraktionen im Landtag war am Donnerstag groß. Die Grünen-Innenexpertin Ursula Nonnemacher forderte am Donnerstag den Ausschluss von Kalbitz aus der AfD-Fraktion. „Der Vorsitzende eines Vereins aus dem neonazistischen Umfeld ist im Landtag völlig fehl am Platze“, sagte sie. „Angesichts der neuen Erkenntnisse wäre eine Rücktrittsforderung angebracht.“ Auch von der CDU kam Kritik. „Dass der stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion gleichzeitig einem als rechtsextrem eingestuften Verein vorsteht, fügt sich nahtlos in das Bild ein, das Herr Gauland und sein Trupp seit geraumer Zeit abgeben“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Jan Redmann. „Hinter der demokratischen Fassade breitet sich ein brauner Sumpf aus.“

Linke-Landesvize: AfD habe nichts im Parlament zu suchen

Die SPD-Abgeordnete Inka Gossmann-Reetz sagte: „Nach und nach fallen die Masken von AfD-Abgeordneten im Landtag.“ Die Partei werde von den rechtsextremen Verflechtungen ihrer eigenen Mitglieder und Mandatsträger eingeholt. „Die Beteuerungen von Herrn Gauland, die AfD habe mit all dem nichts zu tun, sind endgültig als unglaubwürdig entlarvt.“ Und Linke-Landesvize Sebastian Walter erklärte, die Abgrenzungen der AfD nach rechts seien nichts mehr als Lippenbekenntnisse. „Diese Partei ist in ihrer Arbeit und in ihren Äußerungen sehr bewusst anschlussfähig für Rechtsaußen.“ Spätestens jetzt sei klar, „was wir schon lange wussten: Die AfD steht nicht auf dem Boden der Demokratie und hat in einem Parlament nichts zu suchen.“

Kalbitz braune Vergangenheit war nach dem Einzug der AfD in den Landtag vor einem Jahr nur Stück für Stück herausgekommen. Die Landtagsmehrheit lehnte es daher ab, Kalbitz in die Parlamentarischen Kontrollkommission, die den Verfassungsschutz beaufsichtigt, zu entsenden. Denn Kalbitz war einst Mitglied der rechtsradikalen Republikaner, als diese vom Verfassungsschutz beobachtet wurden. Zudem war er Autor für eine als rechtsextrem eingestufte Organisation.

Von der Jungen Union nach rechts abgedriftet

Der gebürtige Münchner war zunächst in der Jungen Union und in der CSU Anfang der 1990er Jahre aktiv. Dann driftete er immer weiter rechts ab, war eng verquickt mit dem Witiko-Bund, einem Vertriebenen-Verband, gegründet von früheren NSDAP- und SS-Funktionären, der sich selbst als „nationale Gesinnungsgemeinschaft der Sudetendeutschen“ versteht und bei dem die Bundesregierung „eine Verdichtung von tatsächlichen Anhaltspunkten für rechtsextreme Bestrebungen festgestellt“ hat.

Im Vereinsorgan „Witikobrief“ gratulierte Kalbitz 2001 dem der NPD nahestehenden „Freundschafts- und Hilfswerk Ost“ zum zehnjährigen Bestehen und hob dessen Arbeit in dem „oftmals aussichtslos scheinenden Kampf gegen den kulturellen und völkischen Tod auf jahrtausendealtem deutschen Kulturboden“ hervor. In einem anderen Beitrag beklagt Kalbitz den „Ethnozid am deutschen Volk“. 2003 veröffentlichte der Landtagsabgeordnete einen Beitrag in der Zeitschrift „Fritz“, dem Vereinsblatt der damals schon extrem rechten und von Neonazis dominierten „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“ (JLO), die jahrelang die Nazi-Traueraufmärsche in Dresden angemeldet hatte. In einem Beitrag beklagte er das fehlende Gedenken für heldenhafte deutsche Soldaten im ersten Weltkrieg, den „Bewußtseinsethnozid in den Köpfen der bundesrepublikanischen Jugend“ und – als Bezug auf die NS–Zeit – die „Verständnisimplantation von 12 Jahren als 99 Prozent deutscher Geschichte“.

Sieben AfD-Landtagsabgeordnete gelten als "rechtsaffin"

Insgesamt gelten sieben Mitglieder der zehnköpfigen AfD-Fraktion als „rechtsaffin“ und waren Mitglied in „diversen rechten, rechtspopulistischen oder rechtsextremen Kleinparteien“. Prominentes Beispiel ist der Landtagsabgeordnete Steffen Königer aus Werder (Havel), der als Autor gegen die „Antisemitismuskeule" wetterte und beklagte, dass öffentlich-rechtliche Sender am 8. Mai „ihr Programm fast vollständig auf 1945“ einstellen: „Hitler hier, Befreiung dort, Holocaust überall.“ Gegenüber den PNN hatte Königer vor der Landtagswahl sein Interesse für NS-Bücher aus dem „Giftschrank“ bekundet.

Da wundert es auch nicht mehr, wenn Gauland in der aktuellen Debatte zur Flüchtlingspolitik vor aufgeheizten Demonstranten in Erfurt dazu auffordert, dass die Politik mit dem Druck der Straße zu Abschiebungen von Asylbewerbern gedrängt werden müsse. Und alles für das „Schicksal des deutschen Volkes“, die Schicksalsgemeinschaft eben. 

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