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Brandenburg: „An jedem Ort. In kurzer Zeit“

Innenminister Karl-Heinz Schröter zieht Konsequenzen aus Terrorgefahr und Flüchtlingssituation. Im Landtag verkündet er ein ganzes Programm: Videoüberwachung, mehr Spezialkräfte, neue Waffen

Potsdam - Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) hält eine weitere Aufstockung und Aufrüstung von Polizei und Verfassungsschutz im Land für zwingend. Das sei „alternativlos“, sagte Schröter am Donnerstag in einer Aktuellen Stunde im Landtag zur Inneren Sicherheit, die die CDU-Opposition beantragt hatte. Fast alle Redner lobten, auch die der Opposition, dass der Personalabbau bei der Polizei gestoppt wurde. Einigkeit herrschte bei SPD, Linken, CDU, Grünen und Freien Wählern auch darüber, dass das nicht reicht. Die wachsende Terrorgefahr und neue Belastungen für die Polizei mit der Bewältigung der Flüchtlingskrise seien nur teilweise „eingepreist“, sagte Schröter selbst dazu. Man werde sich daher in den kommenden Haushalten über Stellen und nötige Technik-Beschaffungen verständigen müssen. Zudem lässt der Innenminister gerade als Konsequenz aus den Kölner Massenübergriffen auf Frauen in der Silvesternacht „sorgfältig prüfen“, die Videoüberwachungen öffentlicher Räume in Brandenburg auszuweiten. „Etwa an Bahnhöfen oder bei Großveranstaltungen“. Die Polizei werde Zustände wie in Köln jedenfalls „konsequent verhindern, ob beim Zug der fröhlichen Leute in Cottbus oder beim Baumblütenfest in Werder“.

Die Aktuelle Stunde war eine Gelegenheit, die sich Schröter, der rote „Law-and-Order“-Minister, nicht entgehen ließ. Er beschrieb die neuen Belastungen der Polizei. So seien allein zur Bewältigung der Flüchtlingskrise seit September 2015 im Schnitt 400 Beamte im Einsatz gewesen. In diesem Jahr würden es 500 sein, um etwa mehr als 140 Objekte abzusichern, Straftaten gegen, aber auch durch Flüchtlinge zu bekämpfen oder Versammlungen wie in Potsdam zu sichern. Er wies darauf hin, dass Brandenburgs Polizei enorme Anstrengungen unternehme, um Asylbewerber vor Anwerbern des islamistischen Terrors zu schützen. Zitat: „Anwerbeversuche finden auch in Gemeinschaftsunterkünften des Landes Brandenburg statt.“ Gegen Vorwürfe von AfD-Fraktionschef Alexander Gauland, in Brandenburg würde wie in Köln mit verfälschender Informationspolitik die Lage beschönigt, verwahrte er sich.

Vor allem aber verkündete Schröter gleich ein ganzes Programm, wie Brandenburgs Polizei, die zwar „auch im Bundesvergleich solide aufgestellt und ausgebildet“ sei, aktuell auf die wachsende Terrorgefahr, auf die Belastungen mit der Flüchtlingskrise reagiert. So würden die Spezialeinheiten, die bereits mit neuen Waffen ausgestattet wurden, nun „zeitnah personell verstärkt.“ Gegenwärtig würden neue Schutzausstattungen für die Sondereinsatzkräfte (SEK), und das Mobile Einsatzkommando (MEK) angeschafft. „Es ist es nötig, eine weitere SEK-Gruppe aufzustellen“, sagte er. „Damit werden wir sicherstellen, in jedem Ort des Landes in kurzer Zeit einsatzbereit zu sein“, sagte Schröter. Es werde nicht gelingen, „alle notwendigen Beschaffungen in diesem Jahr zu realisieren.“ So werde es bei den Großgeräten etwas länger dauern.

Zuvor hatte der CDU-Innenexperte Björn Lakenmacher illustriert, wie Brandenburg immer noch an den Folgen der gescheiterten Polizeireform leidet, bei der etwa auch die Wasserwerfer und andere gepanzerte Fahrzeuge abgeschafft wurden. „Es war falsch“, wie sich jetzt in Potsdam gezeigt habe. Er danke daher der Hamburger Polizei, dass sie für den Einsatz in der Landeshauptstadt um die Pogida–Demonstration und eine drohende Eskalation Großgerät zur Verfügung gestellt habe. Mit dem SPD-Abgeordneten Sören Kosanke lieferte er sich eine scharfe Kontroverse. Der hatte der Union vorgeworfen, in der Inneren Sicherheit zu überziehen. Kosanke präsentierte einen aktuellen Bundesvergleich, nach dem Brandenburg die beste Polizeiausstattung aller Flächenländer habe. Entscheidend sei, ob Innere Sicherheit gewährleistet werde, konterte Lakenmacher, auch mit einem Bundesvergleich – die Kriminalitätsbelastung sei in Brandenburg die höchste aller Flächenländer. Christoph Schulze von den Freien Wählern warnte vor Zahlenspielereien. Es sei doch unstrittig, dass zu wenige Straftaten aufgeklärt, zu wenige Täter schnell verurteilt würden, die Polizei zu lange brauche, zu wenige Streifenwagen habe. Aber, lobte Schulze, die rot-rote Koalition habe unter Schröter die Kehrtwende eingeleitet. „Bei der Personalausstattung von Polizei und Justiz wurden Korrekturen vorgenommen. Es dürfen nicht die letzten sein“, betonte Ursula Nonnenmacher, die Innenexpertin der Grünen.

Auch die Linken, seit 2009 in der Regierung, räumen Fehlentwicklungen ein. „Es hat unrealistische Einschätzungen gegeben, die zum großen Teil schon korrigiert sind und noch korrigiert werden“, sagte der Abgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg. So sei die geplante Einstellung von 310 Polizeianwärtern 2016 eine Rekordzahl für Brandenburg. Die Debatte um weitere Stellen werde zum Haushaltsplan 2017/2018 geführt werden.

In seiner Rede erregte sich der Linke-Politiker gegen Vorwürfe aus der CDU, sich nicht klar von Übergriffen gegen Polizeibeamte durch linke Gegendemonstranten bei der eskalierten Pogida-Demonstration vorige Woche in Potsdam distanziert zu haben. „Herr Lakenmacher, Herr Petke! Ein Wort unter Männern: Von Ihnen lasse ich mich nicht anpissen.“ Scharfenberg kassierte dafür umgehend einen harten Ordnungsruf durch Landtagspräsidentin Britta Stark, „das Niveau im Landtag nicht zu unterschreiten!“

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