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Vor Gericht. Das Kopftuch beschäftigt immer wieder die Justiz. Der Fall vom Amtsgericht Luckenwalde dürfte jedoch bislang einmalig sein.

© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Amtsgericht Luckenwalde in Brandenburg: Verbot verfassungswidrig: Muslima darf doch mit Kopftuch vor Gericht

Ein Familienrichter im brandenburgische Luckenwalde wollte einer Frau aus Syrien das Kopftuch beim Scheidungsprozess verbieten. Ein Befangenheitsantrag gegen ihn hatte nun Erfolg.

Luckenwalde - Im Kopftuch-Streit vor dem Amtsgericht im brandenburgischen Luckenwalde (Teltow-Fläming) darf eine Muslima in ihrem Scheidungsverfahren nun doch mit Kopftuch vor Gericht erscheinen. Das bestätigte das Amtsgericht Luckenwalde am Mittawoch auf PNN-Anfrage. Das Kopftuch-Verbot, das ein Familienrichter einer syrischen Frau für ihre Scheidungsverhandlung auferlegen wollte, war demnach verfassungswidrig. Zuerst hatte das ZDF-Landesbüro Brandenburg über den Kurznachrichtendienst Twitter über die Entscheidung berichtet.

Der Richter hatte das Kopftuchverbot im Gerichtssaal zunächst mit dem Neutralitätsgebot begründet und zugleich Ordnungsmaßnahmen bei Zuwiderhandeln angedroht. Die in Berlin ansässigen Anwältin Najat Abokal hatte deshalb einen Befangenheitsantrag gegen den Familienrichter eingereicht. Der hatte nun Erfolg, wie das ZDF berichtet. Das Gericht sehe den Befangenheitsantrag als begründet hat, hieß es. 

Anwältin hält das Kopftuchverbot für verfassungswidrig

Ursprünglich war die Scheidungsverhandlung auf den 27. Juli angesetzt, wurde aber wegen des Befangenheitsantrags vertagt. Der Richter hatte argumentiert, dass religiös motivierte Bekundungen wie ein Kopftuch im Gerichtssaal und während der Verhandlung nicht erlaubt seien. Die Betroffene war als Flüchtling aus Syrien nach Deutschland gekommen und will sich nun von ihrem Mann scheiden lassen. Wann der Scheidungsantrag nun verhandelt werden kann, bliebt unklar. Am Amtsgericht Luckenwalde gibt es nur zwei für Familienrecht zuständige Richter. Eine davon ist die Direktorin des Amtsgerichts, Roswitha Neumaier

Anwältin Abokal hatte dem Tagesspiegel erklärt, sie halte das verfügte Kopftuchverbot für ihre Mandantin für verfassungswidrig. Zwar gilt für Richter und Staatsanwälte das Neutralitätsgebot, sie dürften nicht im Kopftuch auftreten – doch wer nicht im Staatsdienst tätig ist, für den gilt dies nicht. Und was Zuschauer betrifft, hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2006 geurteilt, dass sie nicht wegen eines Kopftuches, getragen aus rein religiösen Gründen, aus dem Gerichtssaal geschickt werden dürfen, wie es ein Jugendrichter am Amtsgerichts Tiergarten einst tat.

Grober Missbrauch des richterlichen Ermessens?

Der Fall hatte deutschlandweit nicht nur unter Juristen Wellen geschlagen. Der Staatsrechtler Klaus F. Gärditz, Professor für öffentliches Recht an der Friedrich-Wilhelms Universität Bonn warf dem Luckenwalder Richter groben Missbrauch des richterlichen Ermessens vor, der als Rechtsbeugung verstanden werden könne. Die Justiz dürfe „keine Ressentiments eines provinziellen Alltagsrassismus und -sexismus mit prozessualen Mitteln fortsetzen“. Hier werde die Religionsfreiheit der Syrerin verletzt. Um vor Gericht zu erscheinen und Nachteile im Verfahren zu vermeiden, müsste sie sich entblößen. „Die damit verbundene sexistische Demütigung ist greifbar“, befand Gärditz. Selbst eine Sprecherin des brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG), wo der Fall  in zweiter Instanz hätte landen können, erklärte, das Kopftuchverbot sei nur schwer mit der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes in Einklang zu bringen. 

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