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Brandenburg: Alles nur Kohle?

Um und gegen den Tagebau Welzow Süd II wird erbittert gekämpft. An ihm entscheidet sich die Zukunft der Braunkohle in Brandenburg

Cottbus - Neue Zeiten in der Lausitz, die Zukunft der Braunkohle ist bei Weitem keine Gewissheit mehr: Jetzt sieht sich sogar die einflussreiche Bergbaugewerkschaft IG BCE genötigt, für den Aufschluss des neuen Tagebaus Welzow Süd II im südbrandenburgischen Spree- Neiße zu demonstrieren. Denn am heutigen Donnerstag kommt der Braunkohleausschuss, der über den neuen Tagebau Welzow Süd II zu befinden hat, zu seiner entscheidenden Sitzung zusammen. Dabei geht es vordergründig um die Pläne des Energiekonzerns Vattenfall, der dort ab dem Jahr 2027 in dem neuen Tagebau 204 Tonnen Braunkohle für seine Lausitzer Kraftwerke fördern will. Tatsächlich entzündet sich daran ein Streit um Grundsätzliches, ob die äußerst klimaschädliche Braunkohleverstromung überhaupt oder nicht doch ein Umbau, ein Strukturwandel der Lausitz nötig ist.

Am gestrigen Mittwoch kamen deshalb nach Gewerkschaftsangaben etwa 5000, laut Umweltverbänden 2500 Vattenfall-Mitarbeiter und andere Unterstützer des Braunkohleabbaus in die komplett gesperrte Cottbuser Innenstadt. Aufgerufen dazu hat die IG BCE, unterstützt von Wirtschaftsverbänden und Initiativen. Die Vattenfall-Mitarbeiter wurden per Busshuttle von verschiedenen Kraftwerken und Tagebauen herangeschafft. Selbst IG-BCE-Bundeschef Michael Vassiliadis wollte am Abend zu einem Mahn-Camp vor dem Cottbuser Stadthaus kommen, wo heute der Kohleausschuss tagt.

Prominentester Redner war Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD), der in Spree-Neiße seinen Landtagswahlkreis 2009 direkt gewonnen hat und erneut darauf hofft. Woidke forderte, der Braunkohleausschuss müsse dem neuen Braunkohleplan schnellstmöglich zustimmen, andernfalls hätte dies dramatische Folgen für die Lausitz. Der SPD-Politiker warnte vor dem Verlust von Investitionen in Höhe von mehreren Millionen Euro und 4600 Arbeitsplätzen allein in der Kohlebranche und weiteren knapp 14 000 Jobs im Umfeld. In der Lausitz arbeiten laut Gewerkschaft etwa 8300 Menschen direkt in Unternehmen der Braunkohleindustrie und mehrere Tausend andere in Zulieferfirmen.

Besonders brisant waren Woidkes Äußerungen im Namen der Landesregierung, in der die Linke als Koalitionspartner im Gegensatz zur SPD einen Kohleausstieg bis 2040 fordert. „Wir stehen zum Braunkohlebergbau“, sagte Woidke. Die gesamte Landesregierung bekenne sich zu dem heimischen Energieträger. Ein Großteil seiner Rede folgte Woidke der bekannten Argumentation der Kohle-Befürworter wie der Vize-Chef der IG BCE, Ulrich Freese, den die Brandenburger SPD 2013 in den Bundestag schicken will. Der Wohlstand hänge von sicherer und bezahlbarer Energieversorgung ab, erklärte der SPD-Politiker. Eine aktive Industriepolitik und ambitionierter Klimaschutz würden einander bedingen. Weil erneuerbare Energie noch nicht die Grundlast im Stromnetz sicherstellen könnte, Gas und Öl teurer, deren Export mit Risiken behaftet sei, sei die Verstromung des verlässlichen Energieträgers Braunkohle noch als Brückentechnologie nötig.

Der Gegenprotest ist für den heutigen Donnerstag angekündigt – mit einer Mahnwache von Initiativen, Umweltorganisationen und Bürgern der Stadt Welzow. Mehrere Wohngebiete und der Ortsteil Proschim müssten für den neuen Tagebau Welzow Süd II weichen, 810 Menschen müssten umgesiedelt werden.

Dass die heutige Sitzung des Braunkohleausschusses, der Empfehlungen für die gemeinsame Landesplanung Berlin-Brandenburg abgibt, derart konfliktbeladen ist, liegt an den Auseinandersetzungen im Vorfeld – bis hin zu einem Gutachtergefecht zwischen den von Ministern der Linken geführten Ressorts für Wirtschaft und Umwelt. Was jetzt stattfindet, ist ein kompletter Neuanlauf. Der Ausschuss soll heute die wiederholte Auslegung und öffentliche Anhörung des Braunkohleplans für Welzow Süd II beschließen. Im ersten Verfahren war der Plan komplett durchgefallen und musste überarbeitet werden. Nach 5000 Einwendungen und massiver Kritik bei einer öffentlichen Anhörung zog die Planungsbehörde die Erstfassung im Herbst 2012 zurück. Der Grund war schwerwiegend, es fehlte schlicht der Nachweis der energiepolitischen Notwendigkeit für den neuen Tagebau und die damit verbundenen Umsiedlungen.

Daraufhin hatte die Landesplanungsbehörde ein Gutachten bei Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) angefordert. Demnach ist die Braunkohle aus dem vom Energiekonzern Vattenfall geplanten Tagebau Welzow-Süd II langfristig für die Energieversorgung notwendig, weil die Bedeutung der Braunkohlekraftwerke in der Lausitz für die nationale Versorgungssicherheit und Systemstabilität noch zunehmen werde. Die Klimaschutzziele spielen in dem Gutachten keine Rolle. Es offenbarte sogar Pläne Vattenfalls, zum Ende der 2020er-Jahre in Jänschwalde das bestehende Kraftwerk durch ein neues zu ersetzen. Ein Kohleausstieg wäre damit weit nach 2050, eher ab 2060 realistisch.

Das Umweltressort von Anita Tack (Linke) parierte mit einem eigenen Gutachten, das es beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Auftrag gab und das zum gegenteiligen Ergebnis kommt: Die umwelt- und energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen legten mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien einen mittelfristigen Kohleausstieg bis 2040 nahe. Der neue Tagebau wäre energiewirtschaftlich nicht nötig und würde den Landeszielen zur Senkung des Ausstoßes von Kohlendioxid (CO2) zuwiderlaufen, im Klartext: Brandenburg würde seine Klimaschutzziele nicht einhalten können, was ohnehin schon schwierig ist. Zumal Vattenfalls CO2-Ausstoß im Jahr 2012 ein neues Rekordniveau erreichte. Brandenburg hat wegen der Braunkohleverstromung den höchsten CO2-Ausstoß in Deutschland, ein Großteil des Kohlestroms wird außerhalb der Landesgrenzen verbraucht. Brandenburg ist damit der Klimakiller Nummer eins in Deutschland.

Doch mit beiden Gutachten wird sich der Ausschuss gar nicht befassen. Denn die Landesplanung arbeitete in den neuen Welzow-Plan nur die Studie des Wirtschaftsressorts ein, das Tack-Gutachten blieb unbeachtet. Zudem lehnte der Vorstand des Ausschuss den Antrag einiger Mitglieder ab, heute neben Wirtschaftsminister Christoffers und Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD) wenigstens den Autor der Studie für das Umweltressort, Christian von Hirschhausen vom DIW, anzuhören. Nun muss der Ausschuss darüber entscheiden.

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