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Eine Ackerhummel sucht auf einer Pflanze in einem Garten nach Nektar. Wegen der abnehmenden Pflanzenvielfalt finden auch Insekten immer weniger Nahrung.

© Patrick Pleul/dpa

Aktivisten sammeln 50.789 Unterschriften: Erfolgreiche Volksinitiative zur Artenvielfalt

Die Volksinitiative "Artenvielfalt retten - Zukunft sichern" übertrifft ihre Erwartungen - und erwägt jetzt ein Volksbegehren.

Zwei Frauen in Schmetterling- und Bienenkostümen schwirrten umher, und hielten Tafeln in die Höhe: 50.789 war da zu lesen. So viele Unterschriften hatte die Volksinitiative "Artenvielfalt retten - Zukunft sichern" bis Donnerstag eingesammelt. 20.000 hätten sie gebraucht für eine Volksinitiative. Der Erfolg sorgte für gute Laune und Lust auf mehr, "Wir haben mit einem guten Zwischenstand gerechnet, aber jetzt sind wir überwältigt", sagte Friedhelm Schmitz-Jersch, Vorsitzender des Nabu Brandenburg, am Freitag bei einer Pressekonferenz zum Zwischenstand der Unterschriftensammlung. "Wenn unsere Forderungen nicht Eingang in den Koalitionsvertrag der zukünftigen Landesregierung finden, können wir auch bis zur Volkabstimmung gehen", sagte Axel Kruschat, Geschäftsführer des Nabu Brandenburg. Für ein Volksbegehren sind 80.000 Unterschriften notwendig.

Fokus auf Pestizide

Die Initiative ist eine Kooperation zwischen Nabu, Bund, den Naturfreunden Brandenburg, der Naturjugend, der BUND Jugend, der Grünen Liga und dem Bienenschutzverein Aurelia. Ihre Mitglieder, aber auch private Unterstützer, begannen am 15. April mit der Unterschriftensammlung. Die Initiative orientiert sich an der Volksinitiative zur Artenvielfalt in Bayern, deren Forderungen schließlich in erweiterter Form vom bayerischen Landtag übernommen wurden. Das möchte man in Brandenburg auch: "Wir wollen, dass der neue Landtag unsere Forderungen unverändert übernimmt", sagte Schmitz-Jersch.

Die Initiative hat bereits einen konkreten Gesetzesvorschlag ausgearbeitet, der sich vor allem auf die Anwendung chemischer Pestizide konzentriert. Der Vorschlag sieht unter anderem vor, dass die Aufbringung synthetischer Pestizide in Naturschutzgebieten grundsätzlich verboten sein soll. Außerdem soll die Landesregierung innerhalb von zwei Jahren einen Plan zur Reduzierung des Einsatzes chemisch-synthetischer Pestizide vorlegen. Die Forderungen der Initiative gehen aber auch an die Finanzen: Auf Bundesebene sollen EU-Fördermittel aus dem Topf für Landwirtschaftssubventionen in den Topf für die Entwicklung des ländlichen Raums umgefüllt werden. Förderungsmaßnahmen sollen zu einem Großteil "eine sichere Versorgung der Bevölkerung mit gesunden Lebensmitteln und sauberem Trinkwasser unterstützen".

Konkret setzt sich die Initiative für die Umstellung von konventioneller Landwirtschaft auf ökologische Landnutzung ein und kritisiert die EU-Regularien als zu lasch. Johann Luetke Schwienhorst von der Aurelia-Stiftung erklärte: "Die Hauptursache des Artensterbens ist eine nicht veränderte Art der Landnutzung." Dünger- und Pestizidbeschränkungen der EU seien nie ausreichend umgesetzt worden, so Luetke Schwienhorst. In den Augen der Initiative existiert ein Zusammenhang zwischen der landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft und dem Artensterben: "Je näher wir an der perfekten Kulturlandschaft sind, desto weniger Arten gibt es", sagte Axel Kruschat. Deshalb sollen nach dem Willen der Initiative landeseigene Flächen vorzugsweise an ökologische Betriebe verpachtet werden.

Bevölkerung sorgt sich um Insekten

In Brandenburg sind zahlreiche Arten gefährdet oder im Schwund begriffen: 66 Prozent der Tagfalter , zu denen etwa das Tagpfauenauge gehört, sind laut einer Broschüre der Initiative in den letzten 120 Jahren ausgestorben oder sind in ihrer Existenz bedroht. Bienen und Wildbienen gehören zu den Hautflüglern - in dieser Ordnung sind über 53 Prozent ausgestorben oder stark gefährdet. Das hat Folgen für die Natur: Obstbäume und Blumen werden nicht befruchtet, der Ertrag in Obstgärten und die Vielfalt auf Wildblumenwiesen sinkt.

Bei der Unterschriftensammlung erfuhr die Initiative viel Unterstützung aus der Bevölkerung. Anne Kienappel von der Naturschutzjugend Naju berichtete von Privatpersonen, die ihnen dicke Briefe mit Unterschriftenbögen zugesendet hätten, weil sie von einem Vortrag über Artenvielfalt inspiriert wurden. "Die Menschen erzählen davon, dass sie in ihren eigenen Gärten weniger Insekten und Kleinsäuger beobachten", sagte Kienappel. "Ich glaube, dass das Artensterben neben dem Klimaschutz eine der großen Herausforderungen unserer Zeit ist."

Die Initiative kann nicht nur wegen der Unterstützung in der Bevölkerung auf Gehör in der Politik hoffen: Ihr Vorhaben wird von den Grünen unterstützt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Teil der nächsten Landesregierung werden. "Es ist auch Auftrag für die nächste Landesregierung, das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Ökologie in Brandenburg zugunsten der bedrohten Arten neu auszutarieren", teilte der Grünen-Spitzenkandidat Benjamin Raschke am Freitag mit und kritisierte die Regierung: "Das ist bisher immer an der SPD gescheitert, die Koalitionsfraktionen haben in den letzten Jahren im Landtag alle bündnisgrünen Initiativen zum Artenschutz abgelehnt". Auch die Linke will die Artenschützer unterstützen und fordert ein "Aktionsprogramm Insektenschutz". "Schwerpunkte dabei müssen eine Minimierungsstrategie für Pestizide wie Glyphosat, verpflichtende Gewässerrandstreifen sowie die Unterstützung kommunaler Initiativen zum Artenschutz sein."

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