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Dauerbaustelle. In der künftigen BER-Abflughalle eilen statt Fluggästen bislang nur Bauarbeiter hin und her. Über den theoretisch fast betriebsfertigen Schaltern hängt Pae Whites Skulptur „Fliegender Teppich“ unter der 22 Meter hohen Terminal-Halle.

© Thilo Rückeis

Brandenburg: Akte „Sprint“: 97 Prozent im Terminal unerledigt

Auf der Baustelle in Schönefeld geht es laut einem internen Flughafenbericht kaum voran – und Mehdorns Nordpier-Plan wackelt

Schönefeld - Keine Ampel steht auf Grün. Die Sanierung des neuen Hauptstadtflughafens BER in Schönefeld kommt weit stockender voran als bislang bekannt. Das geht nach PNN-Informationen aus einer internen Flughafen-Bilanz für die jüngste Aufsichtsratssitzung zum Inbetriebnahme-Programm „Sprint“ hervor, das BER-Chef Hartmut Mehdorn gestartet hatte. Der 71-Jährige betont zwar oft, dass der Flughafen zu 97 Prozent fertig sei. Seine Experten haben jetzt genau analysiert, welche Arbeiten noch gemacht werden müssen. Und danach sind im „Fluggastterminal“ bislang erst drei Prozent der nötigen „Restleistung“ geschafft, so steht es im Bericht. Die Ampel zeigt nicht nur dort Rot. Ein Gesamttermin wird nirgends genannt. Die Unterlagen lassen den Schluss zu, dass vor Frühjahr 2016 eine Eröffnung des BER kaum realistisch ist, wovon inzwischen auch Aufsichtsräte ausgehen. Die PNN dokumentieren auf Basis von FBB-Dokumenten, wo das Projekt heute steht – eineinhalb Jahre, nachdem der damalige Flughafenchef Rainer Schwarz kurzfristig den Start abblies. Die Dokumente offenbaren auch, welches Desaster der gefeuerte Ex-Manager hinterließ, der jetzt auf eine Millionenabfindung klagt. Heute wird verhandelt.

Fluggastterminal

Schick sieht der bereits knapp 1,5 Milliarden Euro teure Terminal aus. Aber der Schein trügt. Im Modul „Fluggastterminal“ mit der Drei-Prozent-Quote ist zwar die „Bestandsaufnahme der Mängel abgeschlossen“ und wird mit Firmen verhandelt. Aber das Entscheidende ist nicht einmal losgegangen. „Umfassender Baubeginn am größten und komplexesten Objekt des BER verzögert“, lautet der Befund. „Arbeitsvorbereitungen für zeitnahen Baubeginn in komplexen Bereichen der Fläche laufen.“ Etwas hat sich seit 2012 nicht verändert: „Kritisch ist unzureichende leistungsfähige Objektüberwachung.“

Brandschutzanlage

Ex-Flughafenchef Rainer Schwarz sprach einst von „Mutionen“ – eine Umschreibung für die Verstöße und Abweichungen der nicht funktionsfähig geplanten Anlage, die umgebaut und umprogrammiert werden muss. Nach dem Sprint-Bericht ist im Modul Entrauchung bisher erst ein Prozent der Restleistung erledigt. „Das Thema Entrauchung stellt den kritischen Pfad für die Inbetriebnahme BER dar.“ Die Ampel steht hier auf Gelb. Denn es gibt Fortschritte, nämlich „konzeptionelle Grundlagen“ und ein „mit dem Bauordnungsamt abgestimmtes Gesamtkonzept“, wobei dennoch ein „Restrisiko der Genehmigungsfähigkeit“ bleibe. Mehdorn hat inzwischen mit dem Siemens-Konzern einen Vertrag zur Fertigstellung der Brandschutz- und Entrauchungsanlage unterzeichnet. Doch Siemens hat sich 18 Monate ausbedungen, und kann erst anfangen, wenn Vorarbeiten erfüllt sind.

Kabel und Deckenhohlräume

Das Problem sind der Kabelsalat und mangelhafte Rohrabschottungen. Schon der von Ex-Baugeschäftsführer Horst Amann im Sommer vorgelegte Mängelbericht listete allein hier 7950 Einzelmängel auf. Zitat: „An ca. 70 Prozent aller Kabel und 20 Prozent aller Kabeltrassen ist Handlungsbedarf gegeben.“ Im aktuellen Sprint-Bericht steht auch hier die Ampel auf Rot. 13 Prozent der Arbeiten sind danach erst erledigt. Es müssen „Misch- und Überbelegungen“ beseitigt werden: „Kritisch sind derzeit die Ertüchtigung der Hauptverkabelung und der Personalbeistellung.“ Zwar laufen erste Arbeiten. Um überhaupt an die Kabel heranzukommen, müssen teilweise vorher Decken und Wände aufgebrochen werden. Die PNN hatten im Januar 2013 unter Berufung auf einen glaubwürdigen Augenzeugen, der 2011/2012 täglich auf der Baustelle war, erstmals vom Chaos hinter den Wänden – und drohenden Umbauten berichtet, was von Verantwortlichen in Management und Aufsichtsrat heruntergespielt wurde. Jetzt kalkuliert Mehdorn nach den Unterlagen allein für das „Herstellen von Wand- und Bodendurchbrüchen und -schlitzen sowie um und Neuplanungen“ Restbauleistungen im Umfang von 3,67 Millionen Euro – im nagelneuen Terminal. Das alles muss erledigt sein, damit Siemens mit der Brandschutzanlage anfangen kann.

Nordpier

Eigentlich wollte Hartmut Mehdorn als Test für die BER-Gesamtsysteme ab Frühjahr 2014 im Nordpier, einem Seitenflügel des Terminals, die ersten Passagiere abfertigen. Sein Sprint-Bericht rückt davon ab, Zitat: „Teilinbetriebnahme im März 2014 nicht zu erwarten.“ Selbst am Nordpier zeigt die Ampel Rot, die Erledigungsquote liegt hier bei 45 Prozent. Das Problem, das Nordpier muss erst in den genehmigten Zustand gebaut, 75 Prozent erreicht, dann von der Bauaufsicht abgenommen werden – ehe es mit einer nötigen extra Genehmigung danach für rund sieben Millionen Euro umgebaut werden kann. Mehdorn, der noch kein endgültiges grünes Licht vom Aufsichtsrat hat, spricht von Ummöblierungen. Zwar erklärte Mehdorn – seit Amanns Degradierung auch Baugeschäftsführer – jüngst, er rechne im Januar mit der Baugenehmigung. Doch der Landrat von Dahme-Spreewald, Stephan Loge (SPD), kann diese Aussagen nicht nachvollziehen. Die fehlenden Unterlagen für den Bauantrag zum Umbau des Pier Nord vor Wochen sind bislang nicht eingegangen. „Vollständige Unterlagen liegen bisher nicht vor.“

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