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Brandenburg: Akte Eulenspiegel ungelöst

Die Pleite beim DDR-Traditionsverlag war nicht die erste. Nun wird der Chef per Haftbefehl gesucht Autoren warten auf Geld. Die Spur führt in die Schweiz. Es ist wie ein Krimi

Berlin - Vollstrecken konnten die Ermittler den Haftbefehl 31 M89/15 vom Amtsgericht Mitte gegen den Geschäftsführer der Eulenspiegel-Verlagsgruppe bis heute nicht. Am Sitz des Verlags, der aus DDR-Zeiten in die Marktwirtschaft herübergerettet wurde, an der Markgrafenstraße gegenüber vom Deutschen Dom, ist der Mann eher selten anzutreffen. Denn Ralph Matthias Weiss ist gemeldet im Dorf Wil, in der Ostschweiz. In Berlin sind nur die Herrschaften anzutreffen, die nun ihre dritte Pleite hinlegen, ihre Schulden bei Autoren und Lieferanten wieder mal auf null stellen und „heftig davon ausgehen“, dass es weitergeht – immer so weiter.

„Blutiger Osten“ heißt eine Staffel von DDR-Krimis, an der Wolfgang Swat mitgeschrieben hat. Der frühere Reporter der „Lausitzer Rundschau“ erzählt darin von Kriminalfällen aus DDR-Zeiten, die es seinerzeit nur zu kleinen Meldungen brachten – denn Verbrechen durfte es ja nicht geben im real existierenden Sozialismus. Dass Swat mit seinen ersten vier Romanen nun plötzlich selbst eine Art Krimi erlebt im Netzwerk rund um den Eulenspiegel-Verlag, hätte er sich bei der Unterzeichnung seines ersten Buchvertrages mit dem heutigen Verleger Michael Oehme niemals ausgemalt. Zumal er anfangs, wie er sagt, „sehr zufrieden“ war. Abgesehen davon, dass es „mit der Bezahlung nie richtig geklappt hat“.

Swat ist nicht der Einzige, der Anspruch auf viel Geld von der „Neuen Berlin Verlags GmbH“ hat. Auch andere gingen leer aus. Autoren, aber auch Einrichtungen, die sich um den Schutz und die Wahrung geistigen Eigentums sowie die finanziellen Rechte von Schriftstellern verdient gemacht haben: die Verwertungsgesellschaft Wort zum Beispiel.

Die VG Wort hatte der Neuen Berlin Verlag GmbH in den Jahren 2012 bis 2015 Geld überwiesen und musste die Tantiemen nach einem Gerichtsurteil zurückfordern. Ungerechtfertigt seien die Forderungen, sagt Verleger Oehme, und diese Forderungen seien schuld daran, dass die Eulenspiegel-Verlagsgruppe wie berichtet in diesem Jahr Insolvenz anmelden musste. Dabei sei der Eulenspiegel mit dem Neuen Berlin Verlag GmbH nur verbunden durch Lizenzen und Rechte, die – so sagt Oehme – der Eulenspiegel aus der Insolvenzmasse des Neuen Berliner Verlag herausgekauft habe.

Doch Oehmes Erzählung will sich so wenig mit der Realität von Verträgen und Briefen decken, die dieser Zeitung vorliegen – und auch nicht wirklich mit den Aussagen von Torsten Martini. Den Rechtsanwalt haben die Gerichte als Verwalter der aktuellen Insolvenz beim Eulenspiegel-Verlag eingesetzt. „Die VG-Wort-Forderung ist nur die Spitze des Eisberges, der Eulenspiegel-Verlag schiebt Schulden vor sich her und ist unterkapitalisiert“, sagt Martini, bekannt für die behutsamen Neuaufstellung insolventer Verlage. Die Mitarbeiter des Eulenspiegels seien „hochmotiviert“, das Programm ambitioniert, der Verlag brauche aber dringend einen Investor mit verlegerischen Ambitionen, damit nicht jede unerwartete Forderung den Betrieb von Neuem gefährdet.

Aber welche Rolle spielt der per Haftbefehl gesuchte Geschäftsführer Ralph Matthias Weiss mit Wohnsitz in der Schweiz, ist er vielleicht nur eine Art „Strohmann“ für den „Verleger“ Oehme, in dessen Zeit beim Neuen Verlag und Eulenspiegel die drei Insolvenzen fallen? Weiss wird in herausgehobener Stelle bei der Firma „Insignum AG“ geführt: „Wir investieren in Rohstoffgewinnungsprojekte in der Mongolei“, heißt es auf deren Website. Das Aktienkapital wird mit 200 Millionen Schweizer Franken beziffert.

Zur Rolle von Weiss, so Insolvenzverwalter Martini, könne er bisher nur allgemein sagen: „Ich habe stets zu prüfen, ob ein nicht eingetragener Geschäftsführer die Geschäfte faktisch geführt hat, da auch in diesem Zusammenhang Ansprüche bestehen könnten.“

„Doppelmord im Hinterhaus“ war der Titel des ersten von vier Krimis, über dessen Veröffentlichung Swat mit dem „Neue Berlin Verlag“ einen Vertrag unterschrieb. Das war im Juli 2009. Unterschrieben hat den Vertrag Jaqueline Kühne. Verhandelt darüber habe er mit Oehme, sagt Swat, der damals schon für die Firma tätig war. Laut Unternehmensregister verantwortete Oehme zusammen mit Kühne den Jahresabschluss 2009 der Firma. Die Eulenspiegel-Verlagsgruppe gibt auf deren Website selbst auch an, dass sich der „Eulenspiegel-Verlag und die Verlage Neues Leben und Das Neue Berlin nach 1990 zusammengeschlossen“ haben, wo „zu DDR-Zeiten besonders spannende, besonders lustige, besonders unterhaltsame Bücher erschienen“. Oehme wurde erst am 23. November 2016 aus der Geschäftsführung entfernt: „mangels einer wesentlichen Voraussetzung von Amts wegen gelöscht“.

Besonders spannend, aber so gar nicht lustig ist das für Swat und andere Autoren der Verlagsgruppe. Die Ungereimtheiten um Pleiten, deren Hintermänner und wohin das Geld wohl floss aus den Buch-Geschäften, das wirft Fragen auf. Warum erklärte Verleger Oehme auf eine erste Anfrage dieser Zeitung, dass er gar nichts groß mit dem Verlag Neue Berlin und dessen Pleite zu tun gehabt habe? Wie kann sich ein kleiner, stets am Rande der Pleite manövrierender Verlag ein Büro an Berlins bester Adresse leisten, am Gendarmenmarkt? Und schließlich: Wer ist der dritte Mann in der Schweiz?

Diese Fragen wollte der Eulenspiegel-Verlag bis Redaktionsschluss nicht beantworten. Es scheint, als komme eine Menge Arbeit auf Insolvenzverwalter Martini zu. Ralf Schönball

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