zum Hauptinhalt
Im Vertrauen? Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke im intensiven Dialog mit seinem Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger (beide SPD). Vogelsänger steht schon länger in der Kritik, bislang lässt Woidke ihn jedoch gewähren. Ob das so bleibt, scheint offen.

© Bernd Settnik/dpa

Agrarminister Vogelsänger in der Kritik: Der Trotzige

Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) steht in der Kritik – aber er fühlt sich fest im Sattel Hinter vorgehaltener Hand wird schon über eine mögliche Nachfolgerin für den 54-Jährigen geredet

Potsdam - Jörg Vogelsänger stülpt die Unterlippe nach vorne, was ihm ein trotziges, leicht schmollendes Aussehen verleiht. Als wäre er ein Kind, dem zum wiederholten Mal gesagt wird, dass es endlich mal aufräumen soll in seiner Bude. Das die Notwendigkeit aber nicht sieht, schließlich hat es ja vor Wochen schon mal aufgeräumt. Dass es jetzt wieder nicht ganz so toll aussieht in seiner Bude – das sehen nur die anderen. „Wir hatten ja jemanden gehabt“, sagt Brandenburgs SPD-Agrarminister. Er sagt es mehrmals am Mittwoch im Umweltausschuss des Landtags. „Wir hatten jemanden“, wiederholt der 54-Jährige wie ein Mantra, als könnte das den Ist-Zustand heilen.

Es geht darum, dass das Vogelsänger- Ressort seit einem Jahr keinen ständigen Vertreter mehr in der Landesvertretung in Brüssel hat. Linksfraktionschef Ralf Christoffers hatte das am Vortag kritisiert. Ein Punkt von mehreren, derentwegen der SPD-Minister in der Kritik steht. Dem Vernehmen nach hatte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wie berichtet eine Ablösung Vogelsängers erwogen, aber verworfen. Am Montag erklärte Woidke dann demonstrativ: „Im Agrarministerium wird sehr gut gearbeitet.“

Vogelsänger gibt sich unbekümmert 

Eigentlich wären die strittigen Kritikpunkte Brüssel und schleppende Auszahlung vor Agrarfördermitteln im Ausschuss erst später dran, unter Sonstiges. Aber sie werden vorgezogen. Denn um 15.30 Uhr, nach zwei Stunden, erklärt Vogelsänger, müsse er los. Zum Sondertreffen der Ost-Agrarminister mit den ostdeutschen Chefs der Bauernverbände. Immer auf Tour, keine Pause. Er ziehe sein Programm durch, heißt es aus seinem Haus. In durch Fröhlichkeit kaschierter Fahrigkeit läuft er zuvor zum Landtagsraum, in dem ihn unangenehme Fragen erwarten. „Ich freue mich auf den Ausschuss“, sagt er, als ginge es zum Kegelausflug – und dass es gar keine Diskussion um seine Person gebe. Auf die Frage von Journalisten, ob er im Amt bleibe, sagt er: „Ja. Es gibt ja keinen Grund.“ Schließlich hält er nach seiner Wahrnehmung seine Bude ja ordentlich. Um das zu demonstrieren, lässt er die Fragen zur Brüssel-Stelle und den Agrarfördermitteln gleich zu Beginn stellen. „Damit keiner sagen kann, dass ich nicht Rede und Antwort stehe“, sagt er und geht in seiner typischen Sprechweise beim letzten Wort mit der Stimme nach oben. So als stünden auf einem imaginären Sprechzettel Ausrufe- und Fragezeichen gleich hintereinander.

Seine Rede und Antwort sieht dann so aus: „Wir hatten ja jemanden gehabt.“ Eine Person für die Stelle sei gefunden gewesen. Aber die Besetzung habe „nicht vollzogen“ werden können, formuliert er etwas umständlich. Die Person trat dann nämlich eine andere Stelle an. Auch in Brüssel. Im zweiten Anlauf solle die Besetzung nun gelingen. „Eine Referentin“ soll es nun richten. Ob er das überhaupt sagen dürfe, eine Referentin, wegen des Datenschutzes, stellt er sich eine rhetorische Frage, die wohl irgendwie zur Erheiterung beitragen soll. „Jetzt hab ich’s ja gesagt“, sagt er dann. Niemand lacht. Dann erklärt er noch, dass es ja nichts bringe, Leute zwangsweise woanders hin zu beordern. Und dass das ja auch nicht gehe, Arbeitsrecht und so.

Umweltschützern hatte Vogelsänger von Beginn an einen schweren Stand

Diese Aussage mutet dann doch unfreiwillig komisch an. Denn schließlich waren es gerade Zwangsverschiebungen von Mitarbeitern, die ihm herbe Kritik einbrachten oder sogar von Gerichten kassiert wurden. Ende 2014, kurz nach seinem Amtsantritt im Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft, versetzte er den langjährigen, hochgeschätzten Präsidenten des Landesumweltamtes, Matthias Freude, an die Spitze des Landesamtes für ländliche Entwicklung. Die Stimme des Naturschutzes, als die Freude galt, werde damit stumm gemacht, kritisierten Naturschutzverbände.

Gerade bei den Umweltschützern hatte der Diplom-Ingenieur für Maschinenbau und Konstruktionstechnik aus Woltersdorf von Anfang an einen schlechten Stand. Naturschutz sei nicht sein Thema, schließlich war er zuvor vier Jahre lang Minister für Infrastruktur und Landwirtschaft mit deutlichem Gewicht auf Infrastruktur. Schon als ihn der damalige Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) 2010 als Ersatz für die aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretene Jutta Lieske (SPD) auf diesen Posten hievte, hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Vogelsänger, seit 1990 SPD-Mitglied, sei „Mittelmaß“, hieß es sogar bei SPD-Parteifreunden. Die damalige CDU-Fraktionschefin Johanna Wanka wurde mit den Worten zitiert: „Er ist nett, das ja.“

„Mädchen waren (traditionell) in der Nähe der Ponys und Pferde anzutreffen"

Nett gemeint sind vermutlich auch die eher volkstümlich gehaltenen Beiträge auf Vogelsängers Abgeordneten-Homepage. Zur Landpartie vergangenes Wochenende findet sich beispielsweise folgender Erlebnisbericht: „Vor allem größere Mädchen waren (traditionell) in der Nähe der Ponys und Pferde anzutreffen.“

Aber gäbe es in den ausgedünnten Reihen der SPD überhaupt eine Alternative für ihn? Es wird keine benötigt, heißt es offiziell bei den Genossen. Inoffiziell kursiert der Name von Martina Gregor-Ness, der langjährigen früheren Landtagsabgeordneten und Lausitzer Bergbauingenieurin. Die Witwe des früheren SPD-Fraktionschefs Klaus Ness ist ehrenamtliche Präsidentin des Landeswasserverbandstages. Sie war viele Jahre umweltpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Landtag, dem sie erst seit 2014 nicht mehr angehört. Einen bleibenden Eindruck hinterließ sie als Kreistagsvorsitzende von Senftenberg im Vorjahr bei der Mammutanhörung zur Kreisreform. Wo sie, so heißt es, mit einem glühenden wie authentischen Plädoyer gegen die vermurkste Reform ihre früheren Mitstreiter wachzurütteln versuchte.

Für Vogelsänger, der auch an diesem Tag im Agrarausschuss keinen nachhaltigen Eindruck macht, ist es nicht ausgestanden. Der umweltpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Dieter Dombrowski, kündigt an, zum Brüssel-Fall kurzfristig Akteneinsicht zu nehmen. „Woran ich Zweifel habe, ist ihre Personalpolitik“, sagt der Vertreter der Grünen, Benjamin Raschke. Und Vogelsänger? Er wiederholt trotzig sein Mantra: „Wir hatten da ja jemanden gehabt.“ 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false