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Affäre weitet sich aus: Polizei trickste bei Kriminalstatistik

Das Ausmaß der Tricksereien mit der Kriminalitätsstatistik bei der Polizei in Brandenburg ist größer als bislang bekannt und bringt Innenminister Ralf Holzschuher (SPD), Polizeipräsident Arne Feuring, aber auch den Chef der Polizeidirektion West, Peter Meyritz, in Erklärungsnot.

Potsdam – Erstmals hat ein Vertreter der Brandenburger Justiz offiziell allen Dementis von Holzschuher und Feuring deutlich widersprochen und den Verdacht bestätigt, dass bei der Polizei, insbesondere in der Direktion West, die Statistik absichtlich geschönt wurde. Zu diesem Ergebnis kommt nach PNN-Informationen auch das von der CDU-Landtagsfraktion in Auftrag gegebene Gutachten bei einem renommierten Polizeiwissenschaftler und Kriminologen, das in der kommenden Woche offiziell vorgestellt wird. Wie das RBB-Politmagazin „Klartext“ am Mittwoch berichtete, basiert der von Direktionsleiter Meyritz vermeldete Anstieg der Aufklärungsquote im Jahr 2013 auf Eingriffe in die Statistik.

Nach PNN-Recherchen hat sich Brandenburg sogar Ärger mit dem Bundeskriminalamt (BKA) wegen der eigenwilligen Auslegung der bundeseinheitlichen Statistikregeln zur Erfassung von Straftaten einhandelt. Eine Dienstanweisung aus der Direktion West, die Feuring als rechtmäßig verteidigt hatte und auf ganz Brandenburg ausdehnen wollte, die aber deutlich von den BKA-Regeln abweicht, um die Kriminalitätslage zu beschönigen, musste auf Druck des BKA zurückgezogen werden. Auch die Fachleute im brandenburgischen Innenministerium stuften die eigenwillige und Mitte März bekannte gewordene Auslegung der BKA-Vorgaben durch die Direktion West als höchst problematisch ein. Inzwischen gilt eine neue Handlungsanweisung, unterschrieben am 7. April von Dirk Volkland, dem Leiter des Landeskriminalamtes (LKA), die sich wieder weitgehend an die BKA-Richtlinien hält.

Ralf Roggenbuck, Landesvorsitzender des Bundes Brandenburger Staatsanwälte, sagte dem RBB-Politmagazin „Klartext“: „Uns ist aufgefallen, dass in letzter Zeit vermehrt bei Verfahren getrickst worden ist seitens der Polizei.“ Nach Darstellung Roggenbucks, der bei der Staatsanwaltschaft Potsdam tätig ist, deren Zuständigkeitsgebiet die Polizeidirektion West ist, werden bei der Polizei je nach Bedarf Fallzahlen hoch- oder heruntergerechnet. Das Vorgehen richtet sich danach, entweder die offizielle Kriminalitätsbelastung, also die Zahl der Straftaten, mit statistischen Tricks zu senken oder die Aufklärungsquote anzuheben.

Das RBB-Magazin „Klartext“ hat dieses Vorgehen an einem konkreten Fall nachweisen können. Es geht um einen Massendiebstahl im Postverteilzentrum in Stahnsdorf, die Polizei hat dabei offenbar mehrfach gezielt und massiv getrickst, um die Statistik aufzubessern. In dem Postzentrum waren 2500 Pakete und Postsendungen gestohlen worden. Die Polizei aber erfasste alle Vorgänge als nur einen Fall. Grundlage dafür war besagte Dienstanweisung vom August 2013 aus dem Führungsstab von Direktionsleiter Meyritz. Demnach sollten in der Direktion West etwa mehrere Autoeinbrüche und Diebstähle im selben Straßenzug an einem Tag als ein Fall gezählt werden – was im deutlichen Widerspruch zur BKA-Richtlinie steht. Ein Kriminalbeamter sagte dem RBB: „Zunächst hatte man den Post-kommt-weg-Fall nach bekannter Manier zu einem Fall eingedampft. Dann gab es die glückliche Aufklärung des Falles. Es war tatsächlich nur ein Täter. Man hatte also nur einen Fall als aufgeklärt zu den Akten nehmen können.“ Weiter sagte der Beamte dem Sender: „Da die Aufklärungsquote denkbar schlecht war, wurden in Potsdam aus verschiedenen Dienststellen zum Beispiel auch von der Wasserschutzpolizei Beamte abgestellt, die zu jedem einzelnen Päckchen im Nachhinein eine Strafanzeige erfassten und dem Täter zuordneten. Dadurch erzeugte man Hunderte aufgeklärte Fälle.“

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