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Wer hat dem mörderischen NSU-Trio zugearbeitet?

© dpa

Affäre um V-Mann "Piatto": Geheim, geheim

Die V-Mann-Affäre bleibt undurchsichtig. Warum sollte der Neonazi-Spitzel von Aussagen im Brandenburger Fall „Piatto“ abgehalten werden?

Berlin/Potsdam - Neue Details über den Neonazi-Spitzel des Landeskriminalamtes wird es wohl erst am Donnerstag geben – im Geheimschutzraum des Abgeordnetenhauses, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Am Dienstag stürzten sich die Abgeordneten deshalb überwiegend auf das Verhalten Frank Henkels im Innenausschuss. Dort hatte sich der CDU-Politiker am Montag heftige Wortgefechte vor allem mit seinem wichtigsten grünen Widersacher Benedikt Lux geliefert. Gestritten hatten die beiden schon öfters – doch gebrüllt hatte der Innensenator noch nie.

„Henkel ist ein bisschen dünnhäutig derzeit“, lästerte Christopher Lauer von den Piraten. Canan Bayram (Grüne) hat einen Erklärungsansatz. Sie twitterte am Dienstag: „Will LKA Senator loswerden?“ Nach den Pannen um einen V-Mann im NSU- Umfeld hatte Henkel sich über die Polizei geärgert und im Innenausschuss einen Umbau der Behörde angekündigt. Im Mai 2013 hatte Henkel im Innenausschuss der Polizei „unbegreifliche Schlamperei“ vorgeworfen. „Für einen solchen Fehler gibt es keine Rechtfertigung.“ Und: „Mein Vertrauen in die Polizei ist schwer erschüttert.“ Die Akten zu V-Leuten wurden vom LKA in die Innenverwaltung gebracht. Hat das LKA nun einfach geschwiegen, um Henkel auflaufen zu lassen?

Bei der ersten V-Mann-Affäre im Frühjahr 2013 hatte Henkel den Abgeordneten absolute Transparenz bei der Aufarbeitung des NSU-Komplexes zugesichert. Umso enttäuschter sind die Oppositionsparteien über das Schweigen des Senators und seines Polizeipräsidenten Klaus Kandt. Dem Vernehmen nach soll der Ex-Neonazi Nick Greger beim LKA als „VP 598“ geführt worden sein, aber nur zwischen 2001 und 2003. Bekanntlich war Greger 2003 nach Afrika geflüchtet.

Für die Bundestagsabgeordnete Petra Pau, die Obfrau der Linken im NSU-Untersuchungsausschuss war, steht jetzt sogar der „ungeheuerliche Verdacht“ im Raum, dass die Innenverwaltung dem Ausschuss Informationen über diesen V-Mann bewusst vorenthalten haben könnte. Nach Durchsicht der Unterlagen des Bundestages informierte die Berliner Polizei den Untersuchungsausschuss jedenfalls nicht über Greger, sagte Pau den PNN.

Die neue V-Mann-Affäre wurde ausgelöst durch ein Interview-Video mit Greger. Zwei Berliner Beamte des LKA waren im Herbst in Thüringen, dies hatte Kandt bestätigt. Was sie mit ihm besprochen hatten, sagte Kandt nicht. Greger behauptet, die V-Mann-Führer hätten seineVorladung in den sächsischen NSU-Untersuchungsausschuss im Herbst 2013 verhindern wollen. Welches Interesse das LKA gehabt haben könnte, eine Aussage Gregers zu V-Mann „Piatto“ des Brandenburger Verfassungsschutzes unbedingt zu verhindern, blieb unklar. Greger selbst sagte in dem Interview: „Die Botschaft war: Es liegt ein Bedrohungsszenario vor in Verbindung mit meinen Aussagen, die ich damals über Piatto gemacht habe. Und ich soll meine Schnauze halten, denn sonst könnt’s schon sein, dass jemand um mein Haus schleicht oder an meinem Gefährt was manipuliert.“ Pikant: V-Mann-Führer von Carsten S. alias „Piatto“ war Gordian Meyer-Plath, heute Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes.

Oder war das Berliner LKA von den Brandenburger Behörden gebeten worden, Gregers Aussage über „Piatto“ zu verhindern? „Piatto“ hatte dem Brandenburger Verfassungsschutz Informationen über das untergetauchte Terrortrio geliefert – dass die Neoanazis sich Waffen besorgen und Banken überfallen wollen. Die Hinweise waren aber von den Behörden nicht in ihrer Tragweite erkannt worden. Zudem mauerte der Verfassungsschutz bei der Verwertung der Informationen durch die Behörden Sachsen und Thüringen. Die Umstände seiner Anwerbung im Gefängnis und seine vorzeitige Freilassung aus der Haft wegen Mordversuchs an einem Nigerianer sind dubios. Nicht ausgeräumt ist der Vorwurf, der Verfassungsschutz habe die Justiz für eine frühzeitige Haftentlassung belogen. Platziert war „Piatto“ bei einem Neonazi-Versand in Sachsen im direkten NSU-Umfeld, möglicherweise sogar „Agent Provocateur“, wie Experten vermuten. Der NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag hatte die Zusammenarbeit mit „Piatto“ deshalb scharf kritisiert. Das Innenministerium in Potsdam wies die Vorwürfe regelmäßig zurück und hält den Einsatz von „Piatto“ für gerechtfertigt, weil zahlreiche rechte Gewalttaten verhindert worden seien.

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