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Affäre um SPD-Sponsoring in Brandenburg: Es war einmal: Vattenfalls Hoffnungsträger

Auch der Landtagsabgeordnete Sören Kosanke ist in die Sponsoring-Affäre der SPD involviert. Vattenfall und ein Kraftwerksausrüster zahlten für ein Gespräch mit ihm, als es um die Zukunft der Braunkohle ging.

Potsdam - Die Affäre um exklusive, von Sponsoren finanzierte Treffen mit SPD-Spitzenpolitikern zieht Kreise bis nach Brandenburg. Betroffen ist ein Landtagsabgeordneter der Sozialdemokraten: Sören Kosanke traf sich im November 2010 mit Vertretern der damaligen Europa-Tochter des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall, dem damals die Lausitzer Braunkohle gehörte, und dem Kraftwerksausrüster Hitachi.

Vermittelt hatte das Treffen das SPD-Tochterunternehmen Network Media. Es war Teil der sogenannten „Vorwärts-Gespräche“, benannt nach dem SPD-eigenen Verlag, bei denen sich Lobbygruppen und Unternehmen Termine bei Staatssekretären und Funktionären der SPD erkaufen konnten.

9500 Euro bekam die SPD-Firma von den Unternehmen

Für den exklusiven Zugang zu Kosanke, der damals wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion war, zahlte Vattenfall 5000 Euro und Hitachi 4500 Euro an die SPD-Firma. Thema des Gesprächs war: „Ausblick in die Zukunft – Energiestrategie 2020 in Brandenburg.“

Enthüllt worden war die fragwürdige Sponsoringpraxis vom ZDF-Magazin „Frontal 21“ im November. Tags darauf stoppte das Willy-Brandt-Haus in Berlin das Vorgehen des Tochterunternehmens. Mit Sponsoringleistungen könne kein Zugang zu Amtsträgern, Abgeordneten oder Parteifunktionären erkauft werden. Das sei für die SPD selbstverständlich, erklärte Schatzmeister Dietmar Nietan.

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Und die Vizechefin der SPD-Bundestagsfraktion Eva Hoegl sagte: „Das ist überhaupt nicht klug und selbst wenn das rechtlich zulässig ist, dann darf es das nicht geben.“ Immerhin war der SPD keine illegale Parteifinanzierung nachzuweisen. Die zuständige Bundestagsverwaltung jedenfalls sah keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Finanzierungsregeln.

Lobbycontrol: Verheerender Eindruck, dass Politik käuftlich ist

Dennoch trägt die SPD politischen Schaden davon. Annette Sawatzki von der Nichtregierungsorganisation Lobbycontrol sagte dem ZDF: „Die entscheidende Frage ist, ob das politisch und moralisch in Ordnung ist. Denn was die SPD da macht, wenn sie ihre Politiker derart vermarktet, also quasi wie eine Ware anbietet, ist, dass sie das Signal sendet, Politik ist käuflich bei uns. Und das ist ganz verheerend."

Bemerkenswert an der Brandenburger Verwicklung in die SPD-Sponsoring-Affäre ist vor allem eins: Dass überhaupt ein Landespolitiker aus Brandenburg auf der Liste der „Vorwärts-Gespräche“ in den Jahren 2010 bis 2016 auftaucht. Und dass es ausgerechnet Kosanke war.

Auf der Liste stehen vor allem Bundespolitiker - warum aber Kosanke?

Insgesamt 35 Gespräche sind in einem internen Dossier der Partei zur Untersuchung der Vorgänge aufgelistet. Unter den Teilnehmer sind Spitzenpolitiker der SPD wie Justizminister Heiko Maas, Arbeitsministerin Andrea Nahles, Umweltministerin Barbara Hendricks, Familienministerin Manuela Schwesig, der Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann, Generalsekretärin Katarina Barley, der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Matthias Machnig und Hubertus Heil, Vize-SPD-Fraktionschef und Mitglied im Parteivorstand. Ihre Gespräche wurden von Banken, Lobbyverbänden oder Energieunternehmen finanziert.

Auch einige wenige Landespolitiker stehen auf der Liste, wie Machnig, als er Wirtschaftsminister in Thüringen war, oder Senatoren und Minister aus Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Doch aus dem für die Energiewirtschaft so wichtigen, kleinen Brandenburg wurde kein Minister, kein Staatssekretär für die Gesprächsreihe ausgewählt – sondern nur der Landtagsabgeordnete Sören Kosanke.

Bei dem Lobby-Gespräch war Kosanke gerade ein Jahr im Landtag

Als es im November 2010 zu dem Gespräch mit Vertretern von Vattenfall und Hitachi kam, saß der heute 39-Jährige gerade mal ein Jahr lang im Landtag. Als Direktkandidat für die SPD in Potsdam-Mittelmark war er im Herbst 2009 ins Parlament eingezogen. Er galt als aufstrebender Nachwuchspolitiker, als Hoffnungsträger der SPD in Brandenburg. Er stieg schnell auf und wurde wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion.

Die SPD in Brandenburg selbst versucht, die Sponsoring-Affäre von sich fern zu halten. „Bis vor wenigen Tagen war uns der Sachverhalt hier nicht bekannt“, sagte ein Sprecher den PNN. Das Gespräch mit Vattenfall und Hitachi sei „keine Veranstaltung der SPD Brandenburg“ gewesen. Kosanke habe auch nicht als Vertreter der SPD Brandenburg daran teilgenommen. Und der Landespartei seien „keinerlei Vorteile“ daraus entstanden.

Parteisprecher: Die SPD lässt sich nicht kaufen

Die PNN fragten die Landespartei auch, wie es im Regine-Hildebrandt-Haus in Potsdam bewertet wird, dass die SPD sich von Vattenfall ein Gespräch finanzieren ließ und damit gegen Geld direkten Zugang zu einem Entscheidungsträger ermöglichte. Zumal Vattenfall damals bei der Landesregierung wegen der Zukunft von Braunkohletagebauen und Kraftwerken um Einfluss rang. Die PNN wollten auch wissen, ob dies alles bedeute, dass die als kohlefreundlich geltende SPD sich für ihre Haltung gegenüber der Lausitzer Braunkohle von Vattenfall finanzieren oder kaufen ließ. Der Parteisprecher aber wies nur die – gar nicht erhobene – „Behauptung, die SPD habe sich ,kaufen‘ lassen“, zurück.

Zugleich verwies der Sprecher auf eine schriftliche Erklärung von Kosanke. Er sei „sehr verärgert“ darüber, „dass durch das Gebaren von Mitarbeitern“ der SPD-Kommunikationsagentur „der Eindruck entstehen konnte, dass der Zugang zu mir“ oder anderen Politikern „in irgendeiner Art durch Zahlungen“ vereinfacht werden könne. „Hiergegen verwahre ich mich“, erklärte Kosanke. Das Gebaren und Fehlverhalten der Mitarbeiter der SPD-Firma habe der Partei geschadet.

Grüne: Für Vattenfall war es eine Investition in aufstrebenden, aber überschätzten Jungpolitiker

Nach seiner Erinnerung hätten an dem Gespräch damals „Wirtschafts- und Industrievertreter sowie Vertreter der Wirtschaftskammern aus der Lausitz“ teilgenommen. „Ein Honorar oder andere finanzielle Leistungen habe ich dafür nicht erhalten.“ In dem Gespräch sei es neben der Energiestrategie des Landes um „die Zukunft der mit dem Braunkohleabbau und der Braunkohleverstromung zusammenhängenden Wirtschaftsstrukturen und Arbeitsplätze in der Lausitz“ gegangen. Er habe dieses „für Brandenburg wichtige Thema“ weiter verfolgt und werde dies weiterhin tun, sagte Kosanke, der mittlerweile innenpolitischer Sprecher der Fraktion ist.

Für den Fraktionschef der Grünen im Landtag, Axel Vogel, liegt der Fall anders: „Der Vorgang belegt aufs Neue die innige Beziehung zwischen SPD und Vattenfall.“ Vogel ist nach Durchsicht der Teilnehmerliste an den Vorwärts-Gesprächen eines aufgefallen: Während Sponsoren in der Regel für Termine zwischen 2000 und 7000 Euro zahlten, waren es bei Kosanke 9500 Euro. Die Höhe stehe in einem „auffälligen Missverhältnis“ zur damaligen Rolle Kosankes als Landtagsneuling, sagte Vogel den PNN. „Die Tatsache, dass ein aufstrebender, wenngleich damals überschätzter Jungpolitiker für den Vortrag engagiert wurde, deutet darauf hin, dass von Vattenfall eine gezielte Zukunftsinvestition in Kosanke getätigt wurde.“

Umweltschützer sehen Zusammenhang mit Novelle der Energiestrategie

Vogel vermutet, dass ein SPD-Politiker der damals noch nächsten Generation frühzeitig für die Interessen Vattenfalls an der Kohleverstromung sensibilisiert werden sollte. Das Sponsoring – oder die Investition, wie es Vogel nennt – „war damit geeignet, einen weiteren Vertreter der Geschäftsinteressen Vattenfalls in der Brandenburger SPD heranzuziehen, der auch nach dem anstehenden Generationenwechsel in Treue zur Braunkohle steht“. Die zahlungskräftige Kundschaft habe offenbar die SPD am Parteiengesetz vorbei fördern wollen und die Spende zugleich als Betriebsausgabe steuerlich absetzbar gestalten wollen.

René Schuster von der Umweltgruppe Cottbus findet noch härtere Worte. „Die Brandenburger SPD hat sich immer auffällig unterwürfig gegenüber der Kohlewirtschaft gezeigt. Wenn dafür auch Geld geflossen ist, hat ihre Energiepolitik jegliche Glaubwürdigkeit verloren.“ Gerade bei der Fortschreibung der Energiestrategie in den Jahren 2011 und 2012, über die Kosanke zuvor mit Vattenfall sprach, sei die Landesregierung akribisch nach den Wünschen Vattenfalls verfahren.

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