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Bald kein Landtagsabgeordneter mehr? AfD-Mann Jan-Ulrich Weiß (rechts) am Freitag im Neuruppiner Gericht.

© Bernd Settnik/ dpa

Brandenburg: AfD-Abgeordnetem Weiß droht Mandatsverlust

Landgericht Neuruppin verurteilt Gauland-Nachrücker wegen Steuerhinterziehung zu Bewährungsstrafe Wenn das Urteil rechtskräftig ist, darf er drei Jahre lang kein öffentliches Amt ausüben

Neuruppin - Die Tage des „Langen“ im Landtag sind gezählt. Für die Vorsitzende Richterin Grit Burzer gibt es keinen Zweifel: „Die Straftat, die er begangen hat, verstößt gegen das System, das er im Landtag vertritt.“ Dem Brandenburger AfD-Abgeordneten Jan-Ulrich Weiß droht nach dem Urteil des Landgerichts Neuruppin wegen Steuerhinterziehung in besonders schwerem Fall der Verlust des Landtagsmandats, das er vergangenen Herbst nach dem Bundestagswahlerfolg von Alexander Gauland als Nachrücker antrat.

Sobald das Urteil vom Freitag rechtskräftig wird, darf er drei Jahre lang kein öffentliches Amt ausüben. Das Gericht befand den 42-Jährigen für schuldig, unter dem Decknamen „Langer“ im März 2013 gemeinsam mit einem Mitangeklagten (Spitzname „Dicker“) den Transport von 2,9 Millionen unverzollter Zigaretten mit einem Laster von den Niederlanden nach Großbritannien organisiert zu haben. Weiß bestritt die Tat, der Mitangeklagte legte zum Prozessauftakt am Montag aber ein umfassendes Geständnis ab.

Das Gericht stützte sich in seinem Urteil maßgeblich auf die von seiner Anwältin verlesene Einlassung des Mitangeklagten, einem Fuhrunternehmer, der wie Weiß aus Templin stammt. Das sei glaubhaft gewesen, so die Richterin. Schließlich habe sich der 37-Jährige selbst schwer belastet, was strafmildernd gewertet wurde. Er wurde wegen Steuerhinterziehung und Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten auf Bewährung verurteilt.

Weiß-Anwalt Volker Heinz hatte auf Freispruch plädiert. Sein Mandat habe dem Mitangeklagten lediglich helfen wollen, ein kleines Fuhrunternehmen aufzubauen. Von dem Zigarettenschmuggel habe er nichts gewusst. Zugleich verwies Heinz darauf, dass Weiß mit sieben Kindern eine ungewöhnlich große Familie großzuziehen habe. „Sie wäre bei einer Gehaltskürzung die Leittragende.“ Die Richterin zeigte sich davon unbeeindruckt. Beiden Angeklagten wurde eine Vermögensabschöpfung auferlegt. Das heißt, sie müssen für den Steuerschaden in Höhe von rund 516 000 Euro gemeinsam gerade stehen. Als Landtagsabgeordneter verfügt Weiß derzeit über eine Diät in Höhe von rund 8000 Euro monatlich. Vorher war er unter anderem Hausmann und Brennholzhändler.

Die Strafkammer entsprach in ihrem Urteil weitgehend dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die für Weiß ein Jahr und zehn Monate und für den Mitangeklagten ein Jahr und fünf Monate Bewährungsstrafe gefordert hatte. Staatsanwältin Martina Baum hatte auch die verhängte Aberkennung des Rechts auf öffentliche Ämter verlangt, denn Weiß, AfD-Kreischef in der Uckermark, habe mit seiner Tat gezeigt, „dass ihm das Eigenwohl wichtiger ist als das Allgemeinwohl“.

Dabei ließ die Staatsanwältin am Freitag eine Tat fallen. Ursprünglich waren zwei Fälle von Steuerhinterziehung angeklagt, weil der Fahrer zwei Mal die verdächtige Route mit Zuladung im niederländischen Breda gefahren war. Aufgeflogen war der Schmuggel aber nur einmal, als der Lkw-Fahrer im März 2013 im britischen Ramsgate kontrolliert wurde. 2,9 Millionen unverzollte Zigaretten wurden sichergestellt. Steuerschaden für die Niederlande: mehr als 500 000 Euro.

Vor den Plädoyers waren am Freitagvormittag drei Brandenburger Zollbeamte gehört worden, die den Fahrer des Lkw seinerzeit vernahmen, Hausdurchsuchungen bei den beiden Angeklagten machten und deren Handys überwachten. Daraus ergab sich folgendes Bild des Zigarettendeals: Der Mitangeklagte Christian R. hatte, was er einräumte, das krumme Geschäfte mit polnischen Handlangern zwar initiiert und Weiß mit ins Boot geholt. Aber Weiß war derjenige, mit dem der Fahrer die meisten Kontakte hatte. „Weiß war der Auftraggeber“, soll der Fahrer nach Angaben eines Zollbeamten ausgesagt haben. Ein anderer Ermittler erinnerte sich an eine Aussage von Weiß während der Hausdurchsuchung. Dieser habe gesagt, dass er den Ball sah, ihn aber selber nicht gespielt habe. Weitere Angaben haben er nicht machen wollen – aus Angst um seine Familie.

Einig waren sich Staatsanwältin und Verteidiger, dass der Zeugenauftritt des Fahrers, den Weiß über einen Bekannten angeheuert hatte, fragwürdig war. „Er war eine einzige Erinnerungslücke“, so die Staatsanwältin. Der Saalfelder sei sichtlich bemüht gewesen, Weiß nicht zu belasten. Der Zeuge sei „ungewöhnlich unzuverlässig“ gewesen, konstatierte auch der Anwalt des AfD-Politikers, der bereits wegen Volksverhetzung vor Gericht stand, aber freigesprochen wurde. Er interpretiere die Gedächtnisprobleme des Fahrers so, dass er sich selbst nicht belasten wolle, erklärte Verteidiger Volker Heinz. Ein Verfahren gegen den 28 Jahre alten Saalfelder war eingestellt worden. Er hatte ausgesagt, nichts von der illegalen Ladung auf seinem Trailer gewusst zu haben.

Dass zwischen der Entdeckung der illegalen Ladung und dem Prozess fünf Jahre vergingen, liegt daran, dass die deutschen Behörden auf Amtshilfe aus dem Ausland angewiesen waren. Bis das Urteil gegen Weiß nun greift, kann wieder einige Zeit vergehen. Der Politiker hat einen Monat Zeit, vor dem Bundesgerichtshof Revision einzulegen. Ob die höchste Instanz vor der Landtagswahl im Herbst 2019 entscheiden würde, ist nicht gesichert. Das Urteil sei noch nicht rechtswirksam, betonte entsprechend der rechtspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Thomas Jung, am Freitag. Die Fraktion werde das Thema gemeinsam erörtern und am nächsten Dienstag eine Stellungnahme abgeben. Marion Kaufmann

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