zum Hauptinhalt
Manche Milchbauern geben ihre Betriebe auf. 

© ZB

Brandenburg: Ärger auf dem Acker

Brandenburgs Bauern leiden unter sinkenden Preisen und steigenden Kosten. Die Politik zeigt Verständnis für die Sorgen der Landwirte.

Potsdam - Vor dem Landtag rollten am Donnerstag die Traktoren vor. Denn Brandenburgs Bauern sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Anlässlich einer „Aktuellen Stunde“ auf Antrag von Bündnis 90/Die Grünen übergaben die Landwirte ein Protestpapier, in dem sie auf ihre bescheidene Situation aufmerksam machten. „Niedrige Erzeugerpreise auf dem Niveau von vor 30 Jahren, ein zusammengebrochener Schweinemarkt, beeinflusst durch Corona und ASP, von Milchbauern für immer geschlossene Ställe und kostenintensive Verschärfungen europäischer und deutscher Standards führen zu einer Situation, die vielen Landwirten im Land die Luft zum Atmen nimmt“, heißt es darin. „Uns ist bewusst, dass die Politik allein nicht alle Sorgen der Landwirtschaft lösen kann: Sie kann und sollte jedoch Rahmenbedingungen schaffen und so in unsere Gesellschaft wirken und deren Anliegen aufgreifen, dass die Herausforderungen für die Landwirtschaft lösbar bleiben.“

Die Lage der Bauern war Thema in einer aktuellen Stunde im Landtag. 
Die Lage der Bauern war Thema in einer aktuellen Stunde im Landtag. 

© picture alliance/dpa

Im Landtag, wo die Aktuelle Stunde auch als Ersatz für die Debatten auf der ins Internet verlegten „Grünen Woche“ gelten sollte, trafen die Bauern bei Vertretern aller Parteien auf viel Verständnis. Der Fraktionschef der Grünen, Benjamin Raschke, schimpfte auf die Gewinne der Discounter – so ist der Chef der Lebensmittelkette Lidl mittlerweile der reichste Deutsche. „Mit der Umverteilung von unten nach oben muss Schluss sein“, sagte Raschke. Wie auch die meisten Redner sprach er sich für mehr Regionalität und mehr Bioprodukte aus. „Da liegt ein Ausweg aus der Krise“, sagte Raschke. „Bio und regional ist besser – und doch bleibt es seit Jahren Theorie.“ 

[Was ist los in Potsdam und Brandenburg? Die Potsdamer Neuesten Nachrichten informieren Sie direkt aus der Landeshauptstadt. Mit dem neuen Newsletter Potsdam HEUTE sind Sie besonders nah dran. Hier geht's zur kostenlosen Bestellung.]

In seiner Rede ging Raschke deutlich wahrnehmbar auch auf die konventionellen Landwirte zu. „Bio allein ist nicht die Lösung“, sagte Raschke. Gleichzeitig betonte er jedoch, dass es mit den Grünen als Regierungspartei keine Kompromisse beim Tierschutz geben werde. „Es braucht ein agrarstrukturelles Leitbild und eine Herausgabe der Ackerflächen der BVVG vom Bund auf die Länder.“ Brisant für die SPD: Raschke kündigte eine Bundesratsinitiative zu diesem Thema an. „Bislang sperrt sich Olaf Scholz noch dagegen“, sagte Raschke. „Aus zuverlässiger Quelle weiß ich aber, dass seine Gegenkandidatin in Potsdam da anderer Meinung ist.“

Wachstum mit Augenmaß

Der SPD-Landtagsabgeordnete Johannes Funke, der zugleich Geschäftsführer des Kreisbauernverbands Havelland ist, erklärte, mit 100 Prozent Bio-Landbau könne er gut leben, „wenn ich davon überzeugt wäre, dass das langfristig zu angemessenen Preisen führt.“ Aber auch im Ökolandbau seien schon heute oft keine auskömmlichen Preise mehr gegeben. „Und im Grundsatz gilt immer noch: Wer die Hälfte erntet, muss den doppelten Preis bekommen, sonst funktioniert das alles nicht“, sagte Funke. „Deshalb sage ich, Öko braucht Wachstum mit Augenmaß.“

Ohnehin dürfe sich Naturschutz in der Landwirtschaft nicht auf Öko-Anbau und Schutzkulissen reduzieren. Und bei der Diskussion über ein agrarstrukturelles Leitbild müsse im Blick behalten werden, dass „junge Leute eine Chance haben müssen, in die Betriebe einzusteigen.“ CDU-Agrarexperte Ingo Senftleben erklärte, dass die Nachfrage nach regionalen Produkten in der Corona-Zeit so hoch gewesen sei, wie nie zuvor. „Es geht also“, sagte Senftleben. „Das Ziel muss sein, dass alle Produkte aus Brandenburg, die die nötigen Standards erfüllen, unter einem Siegel in den Handel kommen.“ Nötig sei eine Marke für ganz Brandenburg. „Wenn wir regionale Produkte aus der Brandenburger Landwirtschaft haben wollen, brauchen wir dafür alle Partner aus Landwirtschaft, Handel und Verbraucher“, sagte Senftleben.

Die Schere wird größer

Der Prignitzer Linken-Abgeordnete Thomas Domres nannte es ein Kernproblem, dass die Schere zwischen einem knallharten Preiswettbewerb auf Weltebene und den Ansprüchen der Verbraucher immer größer würden. „Der Wettbewerb führt zu prekärer Beschäftigung und dazu, dass schon die Einführung des Mindestlohns ein Problem wird“, sagt Domres. „Wenn die Landwirtschaft die Profite von Molkerei, Schlachtung und Lebensmittelhandel erwirtschaftet, ohne selbst davon zu profitieren, ist das ein Fehler im System.“ Der Lebensmittelhandel dürfe nicht den freien Kräften des Marktes überlassen werden, sondern müsse reguliert werden, forderte Domres. „Es muss sich etwas ändern: Regionalität, Artenschutz, gezielte Düngung ist im Interesse aller Landwirte, nicht nur ökologisch, sondern auch konventionell“, sagte die Uckermärker Abgeordnete Christine Wernicke (BVB/Freie Wähler). „Und die Landwirte und ihre Familien müssen am Ende des Tages von ihrer Arbeit auch leben können.“ 

Agrarminister Axel Vogel (Grüne) machte darauf aufmerksam, dass mehr als die Hälfte der Wertschöpfung in Brandenburgs Landwirtschaft aus Transferzahlungen stammt. Dennoch sei die Zahl der Betriebe deutlich gesunken. „Kartoffeln sind aus Brandenburg fast verschwunden, wir können das fast vergessen, was hier an Kartoffeln angebaut wird“, so Vogel. Das sei das Ergebnis einer am Weltmarkt orientierten Agrarpolitik. Probleme seien auch die Abhängigkeit des Obst- und Gemüsebaus von Saisonarbeitskräften und die Abhängigkeit der Milchwirtschaft von den Milchpreisen. „Man kann nicht unbegrenzt von der Substanz leben.“ Hoffnung mache es, dass der Landesbauernverband mit seinen „Zukunftsperpsektiven 2030“ seine Bereitschaft zum Umsteuern auf einen „Neuen Brandenburger Weg“ erklärt habe.

Aktionsplan Ökologische Produktion

„Selbst wenn 20 Prozent in Brandenburg Ökolandwirtschaft wären, wir hätten immer noch 80 Prozent konventionelle Betriebe – und die sind uns, die sind mir, genau so lieb, wie die Betriebe, die schon biologisch wirtschaften.“ Das Land wolle sich mit einem Aktionsplan dafür einsetzen, bis zum Herbst 20 Prozent Ökologische Produktion erzielen. In Zeiten des Klimawandels fördere man zudem den Anbau von Kichererbsen, Leguminosen und Nutzhanf. Hoffnung mache ihm auch, dass die Zahl der Ausbildungsverträge auf Rekordniveau gestiegen sei. „Wenn sich junge Leute für eine Ausbildung der Landwirtschaft entscheiden, hat sie auch eine Zukunft.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false