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Flaute. Die Zahl der Berliner, die SPD wählen würden, hat einen Tiefstand erreicht. Die Brandenburger Sozialdemokraten liegen bei der Sonntagsfrage mit der CDU mit 23 Prozent gleichauf. Das hatte vor Kurzem eine Infratest-Umfrage für den rbb ergeben.

© Paul Zinken/dpa

Brandenburg: Abgerutscht

Nach einer aktuellen Umfrage des Civey-Instituts liegt die Berliner SPD nur noch auf dem vierten Platz

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Berlin - Es gibt zwar den Spruch: Schlimmer geht’s nimmer. Doch auf die Berliner Sozialdemokraten trifft diese Volksweisheit nicht zu. Derzeit liegt die Regierungspartei SPD in einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey mit 17,1 Prozent nur noch auf dem vierten Platz. Das gab es in Berlin noch nie. Die Oppositionspartei CDU (20,3 Prozent) hat bei der Sonntagsfrage für Berlin schon seit geraumer Zeit die Nase vorn, gefolgt von den Linken (18,3 Prozent). Aber jetzt haben auch die Grünen (17,5 Prozent) die chronisch schwächelnde SPD überholt, die mit ihrem Parteichef Michael Müller seit Dezember 2014 den Regierenden Bürgermeister stellt.

Die AfD kommt in der Umfrage im Auftrag des Tagesspiegel auf 11,8 Prozent, die Freien Demokraten erreichen acht Prozent der Wählerstimmen. Für die rot-rot-grüne Koalition sind diese Zahlen nicht beunruhigend, denn die Mehrheit im Abgeordnetenhaus bleibt unangetastet. Aber das Kräfteverhältnis innerhalb des Regierungsbündnisses hat sich nachhaltig verändert, seitdem Linke und Grüne im Senat sitzen. Beide Parteien, die bis zur Abgeordnetenhauswahl 2016 in der Opposition waren, konnten ihr Wählerreservoir seitdem vergrößern – und die Grünen den Aufschwung nutzen, um jetzt an der SPD vorbeizuziehen.

Die Sozialdemokraten an vierter Stelle im Parteienspektrum – das wurde bei Umfragen bisher nur in Thüringen und Sachsen gemessen. In Berlin stellt die SPD seit fast 17 Jahren als jeweils stärkste Partei bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus den Regierenden Bürgermeister. Allerdings fuhr die Partei im Herbst 2016 mit dem Spitzenkandidaten Müller ein historisch schlechtes Ergebnis von 21,6 Prozent ein. Nur ein Jahr später folgte bei der Bundestagswahl mit einem Landesergebnis von 17,9 Prozent die nächste Schlappe. Tiefer war die SPD seit Kriegsende nie gesunken.

Jetzt also 17,1 Prozent, wenn auch nur in einer Meinungsumfrage. Die nächste Bewährungsprobe für die Berliner SPD ist die Europawahl im Mai 2019. Voraussichtlich wird der Landesverband die 57-jährige Gewerkschafterin Gabriele Bischoff für die Bundesliste der deutschen Sozialdemokraten nominieren. Die gebürtige Hessin war viele Jahre Sozialreferentin und Sonderberaterin in Brüssel, ist in der Grundsatzabteilung des Deutschen Gewerkschaftsbundes für EU-Fragen zuständig und seit 2015 Präsidentin der Arbeitnehmergruppe im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss. Bischoff ist jetzt auch die Favoritin des SPD-Landeschefs Müller, allerdings gibt es Genossen, die sich ein deutlicheres Zeichen der Erneuerung wünschen.

Denn es sind nicht die jungen Wähler, die sich von der Hauptstadt-SPD angezogen fühlen, auch wenn der Landesverband seit vergangenem Jahr einige Tausend neue Mitglieder aufgenommen hat. Gestützt werden die Sozialdemokraten, soweit man davon sprechen kann, von den Berliner Senioren. Laut Civey kommt die SPD bei Menschen ab 65 Jahren immerhin auf 20 Prozent, während es bei den Wählern bis 29 Jahre nur noch 16,6 Prozent sind. Auch für Frauen ist die Landes-SPD wenig attraktiv.

Besonders schlecht schneiden die Sozialdemokraten mit 10,7 Prozent bei den Selbstständigen ab. Da fällt die Regierungspartei noch hinter die AfD auf den fünften Platz ab. Wären nicht die Rentner, wären die Sozialdemokraten in der Umfrage noch tiefer gesunken. Denn auch die Arbeitnehmer (17,8 Prozent) sind keine treuen Anhänger der SPD mehr. Sie wählen in der Bundeshauptstadt lieber CDU und Grüne, während die Linken und auch die AfD vom Zuspruch der Arbeitslosen besonders profitieren.

Bevor die Sozialdemokraten angesichts solcher Zahlen vollends vom Glauben abfallen, sei dies noch gesagt: Die Protestanten in Berlin fühlen sich laut Civey-Analyse von der SPD überproportional angezogen. Gleiches gilt aber auch für die Grünen. Dagegen fühlen sich die Katholiken bei CDU und FDP besser aufgehoben, während die Linken von den Konfessionslosen bevorzugt werden.

Es liegt wohl auch am Bundestrend, dass die Berliner Sozialdemokraten derzeit so weit hinten liegen. Für die Bundes-SPD haben die Meinungsforscher von Civey aktuell 17,5 Prozent ermittelt. Ein großer Trost ist das für die Genossen in der Hauptstadt nicht. Ein dramatisch schlechtes Ergebnis bei der Europawahl im nächsten Jahr dürfte die Diskussion um den SPD-Landeschef Müller und die Spitzenkandidatur für die Abgeordnetenhauswahl 2021 neu entfachen.

Ulrich Zawatka-Gerlach

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