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Wenn Rettungskräfte im Einsatz sterben können sollen Hinterbliebene in Brandenburg künftig eine Soforthilfe erhalten.

© Sebastian Stenzel/dpa

60 000 Euro: Wenn Retter im Einsatz sterben: Landesregierung beschließt Soforthilfe für Hinterbliebene

Brandenburg legt eine Soforthilfe für die Familien von Helfern auf, die im Einsatz ihr Leben verlieren.

Potsdam - Tödlich verunglückt im Einsatz für Andere, und die Familie steht plötzlich vor dem Nichts: Nach den tragischen Todesfällen von zwei ehrenamtlichen Feuerwehrleuten und zwei Polizisten in Brandenburg im vergangenen Jahr hat die Landesregierung jetzt die Hinterbliebenenversorgung für Retter erheblich verbessert und vereinfacht. Und zwar so, dass sogar die Opposition die Pläne lobt, was selten vorkommt.

Am Mittwoch stellten Ministerpräsident Dietmar Woidke und Innenminister Karl Heinz Schröter (beide SPD) eine vom Kabinett beschlossene neue Richtlinie vor, nach der Hinterbliebene in solchen Fällen unbürokratisch und schnell Soforthilfen von bis zu 60 000 Euro erhalten. Das ist die Summe, die bislang nur an Angehörige von verunglückten Beamten gezahlt wurde. Nun soll das für alle gelten. Man betrete damit Neuland, es sei eine bundesweit einmalige Regelung, betonte Woidke.

Die Regelung tritt – auch das ist selten – rückwirkend zum 1. Januar 2017 in Kraft, damit sie auch für die Angehörigen der verunglückten und getöteten Einsatzkräfte gilt, bei denen die Lücken und Ungleichheiten der Hinterbliebenenregelung von Rettern zutage getreten waren. Wie berichtet starben im September zwei Feuerwehrleute bei Rettungsarbeiten nach einem Unfall auf der A 2 bei Kloster Lehnin. Die beiden Männer waren 23 und 38 Jahre alt. Einer war bei der Berufsfeuerwehr Potsdam beschäftigt, an der Autobahn im Einsatz in seiner Freizeit als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr seines Heimatortes. Im Februar 2017 waren bei einer Polizeikontrolle im kleinen Ort Oegeln zwei Polizisten, 49 und 52 Jahre alt, von einem inzwischen verurteilten Mörder auf der Flucht überfahren worden. Alle hinterließen Familien. Damals war in den Fokus gerückt, dass die Unterschiede bei den Hilfen für Beamte, Angestellte und freiwillige Feuerwehrleute extrem waren. Landesregierung und der Landtag – in einem einstimmigen Beschluss – hatten damals Verbesserungen versprochen. Eigentlich noch 2017.

Neue Regelung erfasst auch freiwillige Helfer 

Nun ist die Neuregelung da, etwas später als geplant. Und sie gilt für alle Retter – Polizisten oder Feuerwehrleute, egal ob verbeamtet, angestellt oder freiwillig im Dienst, für Angehörige des Technischen Hilfswerkes, des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) oder der Johanniter, wenn sie im Einsatz ihr Leben verlieren sollten. „Erfasst sind auch freiwillige und spontane Helfer, etwa bei Hochwassereinsätzen“, sagte Schröter. „Und es gilt auch, wenn jemand bei Straftaten einschreitet und dabei ums Leben kommt.“

Die Schwierigkeiten, auch juristisch, lagen in den Details. Bislang war die Hinterbliebenenversorgung bei Polizei und Feuerwehr zum Beispiel so geregelt, dass nur verheiratete oder eingetragene Partner ein solches Sterbegeld erhielten. Auch hier, so Schröter, habe man eine wesentliche Neuerung beschlossen, um Ungerechtigkeiten abzustellen. Die neue Soforthilfe erhalte der Partner im gemeinsamen Haushalt, und zwar auch, wenn Paare nicht verheiratet sind und nicht in eingetragenen Lebensgemeinschaften zusammenleben. Gerade in Brandenburg sei es ja es nicht selten, dass unverheiratete Paare zusammenleben, Kinder haben, füreinander da sind, also was man früher „wilde Ehe“ genannt habe, sagte Schröter. Man habe damit eine Regelung übernommen, die bereits bei Hartz IV gelte, wo auch der gemeinsame Haushalt und die gegenseitig übernommene Verantwortung der Maßstab sei.

Konkret erhalten nun Partner und versorgungsberechtigte Kinder von verunglückten Rettern – unabhängig vom Status – 60 000 Euro. Zahlt eine Kasse, deckt das Land die Differenz. Bei Alleinstehenden erhalten Eltern und nicht versorgungsberechtigte Kinder 20 000 Euro. Gibt es auch die nicht, erhalten Großeltern und Enkel der Verunglückten 10 000 Euro. „Es ist eine Soforthilfe, die den Namen wirklich verdient“, sagte Schröter. Man wisse, dass Hinterbliebene gar nicht in der Lage seien, komplizierte Formulare auszufüllen. „Das Geld kann auch ohne Antrag ausgezahlt werden.“

In Berlin aktuell keine Veränderungen geplant

Und trotzdem bleibt noch Einiges zu tun. Es geht bei bislang bei den Soforthilfen um ein einmaliges Sterbegeld, nicht um die auch weiterhin sehr unterschiedlichen Hinterbliebenrenten, für die Bundesregelungen gelten. Er habe das Problem in der Innenministerkonferenz angesprochen, sagte Schröter. „Dort ist man davor zurückgeschreckt, so dicke Bohlen zu bohren.“ Er hofft aber auf Nachahmer, etwa im benachbarten Berlin. Dort will man erst einmal die Ergebnisse einer auf Initiative Brandenburgs eingesetzten Arbeitsgruppe der IMK abwarten, sagte ein Sprecher der Innenverwaltung den PNN. Aktuell seien daher in Berlin noch keine Veränderungen geplant.

Unter Druck stand Brandenburgs Regierung zusätzlich, weil es ohnehin immer schwieriger wird, Nachwuchs für Brandenburgs freiwillige Feuerwehren zu finden: Gab es 2010 noch mehr als 60 000 Mitglieder, sind es jetzt nur noch 38 000, Tendenz sinkend. Wenn nicht einmal die Versorgung für die Familien bei solch dramatischen Unglücken geklärt ist, wirkt das erst recht abschreckend.

Die Regelung sei eine richtige Reaktion, ein „erster wichtiger Schritt“, sagte der CDU-Innenpolitiker Björn Lakenmacher. Zugleich bemängelte er, dass die Landesregierung dem Auftrag des Landtages bisher nicht in vollem Umfang nachgekommen sei. Die Regierung habe „den klaren Auftrag auch für eine Unfallversicherung für ehrenamtliche und angestellte Rettungskräfte zu sorgen“. Man erwarte auch hier „eine zügige Umsetzung der Vorgaben des Landtages“.

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