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6. Brandenburger Krebskongress: Eine Diagnose, die das Leben verändert

Brandenburger Experten erörtern in Potsdam Fortschritte in der Krebsmedizin. Überschattet wird der Fachkongress von der Lunapharm-Affäre, die viele Patienten, aber auch Ärzte verunsichert hat

Potsdam - Dorothea Fischer hat sie regelmäßig vor sich. Ohnehin verunsicherte Patientinnen, die durch die Lunapharm-Affäre um gestohlene, vielleicht unwirksamen Krebsmedikamente zusätzlich Angst bekommen. „Die Diagnose Krebs verunsichert zutiefst. Die Patienten versuchen, die Kontrolle darüber zu bekommen – und dann kommt so ein Skandal, das ist eine Katastrophe“, sagt die Chefärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe beim Potsdamer Klinikum Ernst von Bergmann. Fischer ist Präsidentin des 6. Brandenburger Krebskongresses, der am Freitag und Samstag in Potsdam stattfindet.

Die größte Fachtagung zum Thema onkologische Versorgung in Brandenburg steht unter dem Motto „Onkologie im Land Brandenburg – immer in Bewegung“ und widmet sich eigentlich besonders der Frage, wie Bewegung und Sport bei der Krebsprävention- und therapie helfen können. Aber ohne Gespräche über Medikamentensicherheit werde der Kongress nach dem Pharmaskandal, der vergangenen August zum Rücktritt von Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) geführt hatte, sicher nicht auskommen, so Fischer. „Die Patientinnen fragen sehr genau nach und auch wir Ärzte müssen uns darauf verlassen können, von den Apotheken mit wirksamen, einwandfreien Medikamenten beliefert zu werden“, betont die Potsdamer Ärztin. Ein spezieller Tagesordnungspunkt zu der Affäre um den Brandenburger Pharmahändler Lunapharm, die erst bekannt wurde, als der Kongress bereits konzipiert war, ist aber nicht vorgesehen. Insgesamt mehr als 400 Ärzte und Pfleger werden in Potsdam erwartet, um sich mit der nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen zweithäufigsten Todesursache in Deutschland zu beschäftigen und neue Wege in der Medizin zu besprechen.

„Die Diagnose Krebs verändert schlagartig das Leben der Betroffenen und ihren Familien“, sagte Golzes Nachfolgerin und Kongress-Schirmherrin Susanna Karawanskij (Linke) am Mittwoch bei der Vorstellung der Fachveranstaltung. Im Vorjahr erkrankten in Brandenburg laut Schätzungen des gemeinsamen Krebsregisters der ostdeutschen Bundesländer und Berlins rund 9200 Männer und 7400 Frauen an Krebs. Bei Männern tritt am häufigsten Prostata-, Lungen- und Darmkrebs, bei Frauen Brust-, Darm- und Lungenkrebs auf.

Überlebenschancen verbessert

Aber es gebe Fortschritte in der Krebsmedizin, die Heilungs- und Überlebenschancen für Betroffene hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten verbessert, betonte Karawanskij. Inzwischen überleben etwa 58 Prozent der männlichen und 63 Prozent der weiblichen Patienten ihre Krebserkrankung mindestens fünf Jahre. Ende der 1980er Jahre waren es lediglich 26 Prozent aller Männer und 40 Prozent aller Frauen. Ziel für Brandenburg sei es, eine flächendeckende Versorgung von Patienten sicherzustellen, so die Ministerin. Derzeit gibt es sieben onkologische Zentren in Brandenburg.

„Der Patient will vor Ort versorgt werden“, sagt André Buchali, Vorstandsvorsitzender des Tumorzentrums Land Brandenburg und Chefarzt der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie der Ruppiner Kliniken. Dass jemand den Wunsch hege, nach Berlin zur Therapie zu fahren, sei die Ausnahme. Aber eine „heimatnahe“ Versorgung sei gerade in den ländlichen Regionen Brandenburgs mitunter schwierig. Damit die Ärzte genügend Routine haben, aber auch damit eine Krebsklinik wirtschaftlich arbeiten könne und sich teure Geräte amortisieren, sei ein Einzugsbereich um die Klinik von rund 200.000 Menschen nötig. Derzeit sei aber nicht absehbar, dass onkologische Zentren in der Mark schließen müssten.

Überlegt werden müsse vielmehr, wie Patienten erreicht werden können, die die regelmäßige Fahrt zur Klinik nicht selbst auf sich nehmen können, so der Vorstandschef der Landesarbeitsgemeinschaft Onkologische Versorgung Brandenburg und Chefarzt am Klinikum Frankfurt (Oder), Michael Kiehl. „Fährt der Arzt zu den Patienten oder gibt es einen Shuttlebus, der Patienten zur Therapie in die Klinik bringt?“ Diese Überlegungen müsse man anstellen. Was die Expertise angehe, müssten sich die Brandenburger Häuser nicht verstecken. „Brandenburg ist wer in der Onkologie“, so Kiehl. Große Häuser seien nicht automatisch besser als kleine, betont auch der Ruppiner Chefarzt André Buchali. Es komme immer darauf an, wie gut das Fachpersonal sei. Um den medizinischen Nachwuchs zu fördern, erhielten in diesem Jahr erstmalig Studierende der Medizinischen Hochschule Brandenburg auf dem Kongress eine Plattform.

Jeder kann sein Krebsrisiko reduzieren

Auch die besten Mediziner könnten aber keine Wunder bewirken, so Chefarzt Kiehl. Die Aussage von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Vorfeld des Weltkrebstages, in zehn bis 20 Jahren könne Krebs besiegt sein, könne er auf keinen Fall unterschreiben. Eines allerdings müsse man klar sagen, betonen die Brandenburger Onkologen: Jeder Einzelne könne etwas tun, um sein Krebsrisiko zu reduzieren. „Knapp 50 Prozent der Krebserkrankungen sind hausgemacht“, so Kiehl. Oft sei es eine ungesunde Lebensweise – keine Bewegung, ungesunde Ernährung, Übergewicht, Rauchen, Alkoholkonsum – die eine Erkrankung begünstige. Teilweise brächten Patienten auch eine Konstitution mit, die eine Therapie erschwere. Aktive Mitarbeit sei für eine Linderung oder Heilung aber wichtig.

Hintergrund

Der 6. Brandenburger Krebskongress findet am 22. und 23. Februar im Dorint Hotel in Potsdam statt. Er steht in diesem Jahr unter dem Motto „Onkologie im Land Brandenburg – immer in Bewegung“ und soll interdisziplinär über den aktuellen Stand der Onkologie im Land Brandenburg informieren und dabei speziell das Thema Sport und Krebs beleuchten. Der Kongress, der alle zwei Jahre stattfindet, richtet sich an Ärzte, Pflegende sowie weitere in der onkologischen Versorgung tätige Berufsgruppen und wird vom Gesundheitsministerium unterstützt. Veranstalter sind die Landesarbeitsgemeinschaft Onkologische Versorgung (LAGO) und das Tumorzentrum Land Brandenburg.

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