zum Hauptinhalt

30 Jahre danach: Mauerfall multimedial und DDR-Kuchen

Brandenburgs Diktaturbeauftragte will im Jahr des Wendejubiläums Jugendliche auf Spurensuche schicken. Neuruppiner Schüler haben am Donnerstag ihr Projekt vorgestellt.

Potsdam - Zwei junge Frauen halten ein selbstgemachtes Transparent in die Höhe. „Für ein offenes Land mit freien Menschen“ steht auf dem weißen Laken. Die Frau rechts im Bild mit Brille und Umhängetasche ist gut zu erkennen. Auch heute, 30 Jahre später, ist ihr Gesicht noch bekannt. Es ist die Oppositionelle Katrin Hattenhauer, die wenige Tage nach der Montagsdemo am 4. September 1989 in Leipzig verhafte und mehrere Monate in Stasi-Untersuchungshaft saß. Alina Stutz und Magnus Müller sind sehr gespannt, was die Bundesverdienstkreuzträgerin Katrin Hattenhauer, die inzwischen in England lebt, ihnen kommende Woche bei einem Videochat über das Jahr 1989 erzählen wird.

Alina und Magnus sind Schüler der Evangelischen Schule Neuruppin, das sich am nach dem Plakatspruch von Hattenhauer benannten Projekt „Für ein offenes Land mit freien Menschen“ beteiligt. Die Gesprächsreihe, in denen Menschen in unterschiedlichen Regionen Brandenburgs miteinander ins Gespräch über ihre Wendeerfahrung kommen sollen, ist ein Baustein des umfangreichen Programms, mit dem Brandenburgs Beauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, Maria Nooke, an den Mauerfall vor 30 Jahren erinnern will. Es soll dabei weniger darum gehen, bekannte Akteure aus der Bürgerbewegung auf ein Podium zu setzen, sondern aufzuzeigen, welche Spuren diese tiefgreifende Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse im Leben jedes Einzelnen hinterlassen hat und wie sie bis in die Gegenwart wirken, erläuterte Nooke am Donnerstag bei der Vorstellung des Programms im Potsdamer Landtag.

Zeitzeugen des Systemwechsels

„Unabhängig davon, wer wir damals waren, was wir dachten, was wir hofften oder befürchteten, ob wir uns aktiv einmischten oder uns die Wucht der Veränderung unsicher machte, ob wir im Osten oder im Westen aufgewachsen sind, uns alle verbindet, dass wir Zeitzeugen des Systemwechsels sind“, so Nooke. Selbst die, die ihn nicht erlebten, weil sie nach 1989 geboren wurden, seien durch die Familie damit verbunden. So wie Magnus Müller. Der Neuruppiner ist 15 Jahre alt – und hat bei seiner Spurensuche für das Projekt in der eigenen Familie nicht nur euphorische Geschichten gehört. „Meine Tante war Floristin“, erzählt Magnus. „An ihr ist der Mauerfall vorbeigegangen. Für sie war es kein großer Tag, denn sie war mit ihrem Leben zufrieden“, berichtet der Jugendliche. In den Westen sei sie erst Jahre später das erste Mal gefahren.

Maguns Müller und Alina Stutz mit ihrem Geschichtslehrer Steve Sachse bei der Vorstellung des Programms zu "30 Jahre Mauerfall" im Landtag.
Maguns Müller und Alina Stutz mit ihrem Geschichtslehrer Steve Sachse bei der Vorstellung des Programms zu "30 Jahre Mauerfall" im Landtag.

© Marion Kaufmann

Auch diese Geschichten, die nicht von Euphorie getragen sind, sollen im Jubiläumsjahr erzählt werden, erklärt Susanne Kschenka, Referentin für politisch-historische Bildung bei der Aufarbeitungsbeauftragten. Die Wende sei für viele auch mit Verlust verbunden gewesen, mit Zukunftsangst oder wie im Fall von Magnus’ Tante mit einer plötzlichen Veränderung des persönlichen Lebens, die nicht mit Freuden erwartet worden war. Gerade vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen, der Forderung nach einem Systemwechsel, diederzeit vor allem aus der rechtspopulistischen Ecke kommt, sei es wichtig, die unterschiedlichsten Erfahrungen von 1989in Erinnerung zu rufen, so Nooke.

Kuchen nach DDR-Rezepten

Was ihre Spurensuche ergeben hat, wollen die Neuruppiner Schüler am 20. März im Magnet-Kaufhaus, einem alten DDR-Kaufhaus in der Fontanestadt vorstellen. Buffet mit Kuchen nach DDR-Rezepten inklusive. „Wir wussten nicht so viel über diese Zeit vor 30 Jahren“, sagt die 16-jährige Alina Stutz. „Aber jetzt hat uns das Thema gepackt.“ In Kooperation mit der Medienwerkstatt Potsdam sollen Jugendliche in ganz Brandenburg vor allem über das Projekt #Moment mal! die Wendejahre erforschen. In ihrem jeweiligen Ort sollen Schüler Geschichten aufspuren, in Videoclips, Hörspiele oder Comics umsetzen und so mit Hilfe neuer Medien Geschichte erlebbar machen.

Unter den Titeln „Auftrittsverbot“, „Amnestie“ und „Stasi am Ende“ sind im Laufe des Jubiläumsjahres weitere Veranstaltungen geplant. Im Juni wird es in Forst um die Konzerte von Stephan Krawczyk und Freya Klier 1987 im damaligen Bezirk Cottbus gehen, die nach einem Berufsverbot nur noch unter dem Schutz der Kirche stattfinden konnten.

In Kooperation mit dem Landgericht Potsdam wird im Oktober in der Landeshauptstadt über das Ende der politischen Verfolgung in der DDR gesprochen. Die Auflösung der Kreisdienststellen des Ministeriums für Staatssicherheit in Brandenburg wird im Dezember Thema einer szenischen Lesung in Rathenow sein.

Landesregierung und Landtag planen im Herbst eine gemeinsame Veranstaltung zum Mauerfall-Jubiläum, wie Regierungssprecher Florian Engels auf Anfrage mitteilt. Details seien aber noch nicht bekannt.

Informationen zu den Veranstaltungen der Aufarbeitungsbeauftragten unter www.aufarbeitung.brandenburg.de.

Zur Startseite