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Der Eingang des Nobel Museums in Stockholm.

© AFP Jonathan Nackstrand

Update

120 Jahre Goldmedaillen aus Stockholm und Oslo: Königliche Rügen und nobelpreistragende Nobelpreisträger-Schwiegermütter

Seit 1901 gibt es die nach Alfred Nobel benannten Auszeichnungen. Ein - natürlich hoffnungslos unvollständiger - Rückblick in Fakten und Anekdoten.

Anfang Oktober ist es – in normalen Jahren – meist langweilig. Außer, dass man beim Arzt die Karte neu einlesen lassen muss und merkt, dass die Heizkörper mal entlüftet gehören, passiert nicht viel. Für ein paar elitäre Personenkreise ist dann trotzdem gar keine Zeit für Frühherbstlethargie.

Top-Medizinerinnen, Literaten, Naturwissenschaftlerinnen, Ökonomen und auch ein paar Politiktreibende warten – und wetten oft auch – auf die Nobelpreise. Am Montag geht es wieder los, 120 Jahre nachdem erstmals Nobelpreise vergeben wurden. Zur Einstimmung beginnen wir die Nobel-Woche mit einer Rückschau auf wenig bis gar nicht bedeutsame, aber auch erschreckende Fakten zu 120 Jahren Preisen, Preisträgern Preisgeldern. Beginnen wir mit dem Unwichtigsten.

Monetär ist 2021 ein gutes Jahr für die Laureaten. Pro Preis gibt es zehn Millionen Kronen, eine Million mehr als noch vor zwei Jahren. Das sind umgerechnet 980.000 Euro. Die goldene Medaille ist je nach Goldkurs auch immer ein paar tausend Euro wert - rein, was das Material angeht. Wird mal eine versteigert, kommt meist deutlich mehr zusammen. James Watsons Medaille etwa brachte dem Mit-Entdecker der DNA-Struktur 4,1 Millionen Dollar ein. Aber man spricht hier ja eigentlich nicht über Geld, denn es geht um die Ehre. Und wer einen Nobelpreis bekommt, hat meistens auch einen gut bezahlten Job und bekommt viele Einladungen zum Essen. Eigentlich.

Als Elfriede Jelinek 2004 in einem 3sat-Interview gefragt wurde, was der gerade verkündete Literatur-Preis für sie bedeutete, schaute sie den Interviewer etwas verständnislos an. Dann sagte sie, das wichtigste sei natürlich die gewonnene finanzielle Unabhängigkeit. Und man kann mit so viel Geld, selbst wenn man – wie es oft passiert – nur die Hälfte oder ein Drittel oder die Hälfte der Hälfte bekommt, natürlich einiges anfangen.

Albert Einstein etwa versprach seiner Ehepartnerin Mileva Maric, als er sich von ihr trennte, den ganzen Betrag, falls er den Preis bekommen würde – worin er sich relativ sicher war. 1921 hielt er Wort gegenüber der Frau, die - obgleich das bis heute umstritten ist - möglicherweise auch einen nicht zu vernachlässigenden Anteil an seiner Theorieentwicklung gehabt hatte.

Was Nobelpreisträger mit dem Preisgeld so machten

Daraus lernten auch andere enttäuschte Partnerinnen, wie etwa Rita Lucas. Die ließ sich in der Scheidungsabmachung mit Robert Lucas die Hälfte eines eventuellen Nobelpreisgeldes zusichern. Der Preis kam 1995 – wenige Monate bevor die Frist für die Gültigkeit dieser Abmachung ablief.

Andere Preisträger legen das Geld sicher an und finanzieren daraus selbst Preise und Stipendien, so wie etwa die Tübingerin Christiane Nüsslein-Volhard (Medizin 1995). Günter Blobel, 2018 verstorbener Medizinnobelpreisträger 1998, spendete die gesamte Summe für den Wiederaufbau seiner Heimatstadt Dresden, deren Zerstörung er als Kind miterlebt hatte. Man kann die Kronen aber, so sagt es Wolfgang Ketterle, Physikpreisträger 2001, auch in einen Hauskauf und die Ausbildung der Kinder investieren.

Ich und Ich

Als John Bardeen 1956 den Physik-Nobelpreis bekam, reiste er alleine an. Die Kinder sollten weiter zur Schule gehen können, war seine Begründung. Und im übrigen, so erzählte sein Sohn später einmal, war ihm die Woche in Stockholm selbst auch zu viel, hielt sie ihn doch von der Arbeit ab. Der schwedische König höchstselbst soll Bardeen damals höflich darauf hingewiesen haben, dass er darüber nicht amüsiert sei.

Bardeen gelobte Besserung und versprach, die Familie „beim nächsten Mal“ mitzubringen. 1972 bekam er tatsächlich zum zweiten mal einen Physik-Nobelpreis. Und hielt Wort. Andere Doppelpreisträger sind Linus Pauling (Chemie und Frieden), Marie Curie (Physik und Chemie) und Frederic Sanger (zweimal Chemie).

Jung und alt

Mit Malala Yousafzai (Frieden 2014) ging nicht der erste Preis nach Pakistan. Den hatte Abdus Salam 1979 in Physik bekommen. Aber sie war und ist nach wie vor mit damals 17 Jahren die mit Abstand jüngste Preisträgerin aller Zeiten. Der zum Zeitpunkt der Preisvergabe jüngste Wissenschaftler war 1915 der 25-jährige Brite Laurence Bragg. Er hatte drei Jahre zuvor mit die Grundlagen für die Röntgenstrukturanalyse gelegt.

Der jüngste Literat war 1907 der 41-jährige Rudyard Kipling, und erst 2019 senkte Ester Duflo, damals 49, die Schwelle für den Wirtschaftspreis auf diesseits der 50. 2019 war auch das Jahr des bislang ältesten Preisträgers. John Goodenough war 97, als er in Stockholm seine Medaille als einer der Väter der Lithiumionenbatterie entgegennahm.

Weiß und männlich

Machen wir es kurz, denn es ist zu schmerzlich, eine Analyse aber würde Seiten füllen: In Literatur und beim Friedenspreis sieht es nicht ganz so schlimm aus, aber in Medizin, Physik und Chemie waren 2020 gerade einmal drei Prozent der Preisträger weiblich (Lise Meitner soll 13 Mal nominiert gewesen sein und ging immer leer aus). Im vergangenen Jahr hat sich das Verhältnis leicht gebessert, mit vier weiblichen und sieben männlichen Preisträgern. Der Anteil von Menschen dunkler Hautfarbe liegt hier noch immer bei null. Ein einziges Mal bekam ein dunkelhäutiger Mann den Wirtschafts-Preis: C. Arthur Lewis aus St. Lucia 1975.

Lise Meitner, hier mit Otto Hahn im Labor ihres Kaiser-Wilhelm-Instituts für Chemie in Dahlem, war 13 Mal für den Nobelpreis nominiert, aber bekam ihn dennoch nie.
Lise Meitner, hier mit Otto Hahn im Labor ihres Kaiser-Wilhelm-Instituts für Chemie in Dahlem, war 13 Mal für den Nobelpreis nominiert, aber bekam ihn dennoch nie.

© imago/Leemage

Eins und zwei

Es gibt Nationen, in denen jede Menge Nobel-Medaillen in Vitrinen oder vielleicht auch Schuhkartons (sicherer!) liegen. US-Amerikaner (385), Briten (133) und Deutsche (108) etwa haben ziemlich viele bekommen. Ein paar Länder aber warten nur mit einem einzigen Preisträger oder einer einzige Preisträgerin auf. Dazu gehören so große Nationen wie Brasilien (Peter Medawar, Medizin, 1960) und Venezuela (Baruj Benacerraf, Medizin 1980).

Eine Industrienation wie Südkorea hat ebenfalls mit Kim Dae jung nur einen. Wie bei ihm (Frieden, 2000) sind die meisten der nationalen Einzelgänger Friedens- und Literatur-Preise. Letzteres liegt auch daran, dass eines der ungeschriebenen Gesetze für diesen Preis lange Zeit lautete – und vielleicht ist es noch immer so – die Literaturen möglichst vieler Nationen und Kulturkreise zumindest mit zu berücksichtigen und mit Preisen zu würdigen.

Das führt dann auch zu interessanten Statistiken. So war lange Zeit Island die Nation mit der höchsten Nobelpreisträgerdichte – mit dem allerdings wirklich sehr lesenswerten Halldör Laxness als einzigem Preisträger. Aber auch hier wird es kompliziert, denn es kommt darauf an, was man als Nation wertet. Auf den Faröern nämlich wohnen noch weniger Menschen. Und ein Färinger war Niels Finsen. Der bekam schon 1903 den Medizinpreis – was sich als ungünstig für die Literaten der Inselgruppe herausstellte.

Sie gingen von – wer kennt sie nicht – Rasmus Rasmussen über Janus Djurhuus bis zu Helena und Rói Patursson bislang leer aus. Aber nach wie vor gibt es viele Nationen ganz ohne Preisträger, selbst solche mit guten Kandidaten wie etwa Kirgistan mit dem Schriftsteller Tschingis Aitmatow – und solche mit mehr als ausreichend Ressourcen wie etwa Saudi-Arabien.

Eh(r)e und Erbe

Dass die Curie-Familie eine Sammlung goldener Medaillen aus Schweden hat, ist bekannt. Insgesamt sind es fünf, mit Marie als Doppel-Gewinnerin, Nobelpreisträgergattin, Nobelpreisträgerinnenmutter und Nobelpreisträgerschwiegermutter in einer Person.

Einige andere Familien haben zumindest doppelt zugeschlagen: Ehepaare wurden für gemeinsame Arbeit geehrt wie May-Britt Moser und Edvard Moser 2014 in Medizin, aber auch unabhängig von einander wie Alva und Gunnar Myrdahl (Frieden 1982 und Wirtschaftswissenschaften 1974). Mit Jan (1969) und Niko Tinbergen (1973) sind auch zwei Brüder – in unterschiedlichen Fächern – dabei. Sechs mal hieß die Kombination Vater und Sohn, beispielsweise bei Niels und Aage Bohr (Physik 1922 und 1975).

1901 gehörte Emil von Behring zu den allerersten Preisträgern. Er wurde ausgezeichnet für wichtige und lebensrettende Arbeiten in der Infektionsmedizin. Dass 120 Jahre später dieses Fachgebiet wieder eine Rolle spielen wird, darauf tippen diesmal viele.

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