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Ministerpräsident Michael Kretschmer gehörte zu den Polikern, die den Streikenden ihre Solidarität versicherten.

© dpa/Jan Woitas

Rekordstreik in Sachsen abgebrochen: Erfolgloser Kampf für einen Tarifvertrag

Trotz vielfältiger politischer Unterstützung: Der Erzwingungsstreik bei der Recyclingfirma SRW ist gescheitert. Die IG Metall hofft jetzt auf Gespräche.

Die Streikende des Recyclingunternehmens SRW metalfloat in Espenhain gehen am Montag in den Betrieb zurück. Nach 180 Tagen, in der Geschichte der IG Metall ist das ein Rekord, unterbricht die Gewerkschaft den Arbeitskampf „und sendet damit ein konstruktives Signal an den chinesischen Geschäftsführer des Mutterkonzerns, der sich seit August 2023 Gesprächen zur Tarifbindung verweigert“. Wie die IG Metall weiter mitteilte, habe die Streikversammlung am Freitag die Streikunterbrechung beschlossen.

Mit dem Arbeitskampf hatten Gewerkschaft und Beschäftigte versucht, einen Tarifvertrag durchzusetzen. „Wir erwarten jetzt vom Arbeitgeber, dass gegebenenfalls mit externer Moderation ein Gesprächsprozess darüber beginnen kann, wie die Arbeitsbedingungen kollektiv und rechtssicher von den Sozialpartnern vereinbart werden können“, sagte Michael Hecker, Verhandlungsführer der IG Metall Leipzig.

Besuch in der chinesischen Botschaft

Gut die Hälfte der rund 180 Beschäftigten beteiligten sich nach Angaben der Gewerkschaft am Arbeitskampf. Der Streikcontainer vor dem Werkstor war ein beliebtes Besuchsziel für Politiker. Unter anderem kamen Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil vorbei.

Die Politik bemühte sich um Einflussnahme: Udo Philipp, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, führte ebenso Gespräche mit chinesischen Politik- und Wirtschaftsvertretern wie Jürgen Kerner, zweiter Vorsitzender der IG Metall, der dazu in der chinesischen Botschaft empfangen wurde. In Espenhain gab es ferner die Hoffnung, dass Bundeskanzler Olaf Scholz das Thema während seines Chinabesuchs vor einigen Wochen würde ansprechen können.

IG Metall und Beschäftigte forderten acht Prozent mehr Entgelt, eine Erhöhung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes auf je 1500 Euro und eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 38 Stunden. Nach Angaben der Gewerkschaft verdienen die Beschäftigten von SRW nur knapp über Mindestlohn und im Schnitt im Monat rund 600 Euro weniger als Beschäftigte in vergleichbaren Betrieben der Schrott- und Recyclingbranche.

Chinas größter Schrottverwerter

SRW metalfloat in Espenhain bei Rötha gehört zur Scholz Recycling Gruppe aus Baden-Württemberg. 2016 übernahm die Chiho Environmental Group die Scholz Holding GmbH. Chiho ist nach eigenen Angaben Chinas größtes Schrottrecyclingunternehmen. Zu den Aktivitäten gehört das Recycling von Eisen- und Nichteisenmetallschrott, Altfahrzeugen, Elektronikschrott und die Herstellung von Sekundäraluminiumbarren aus Aluminiumschrott.

Mehrheitseigner von Chiho ist mit rund 60 Prozent wiederum die USUM Investment Group, welche zur von Jinhua Tu kontrollierten Loncin Group gehört. Loncin ist ein Zulieferer für die Automobilindustrie in Deutschland. Nach Angaben der IG Metall befindet sich die Unternehmensgruppe seit einiger Zeit in finanziellen Schwierigkeiten.

Anfang des Jahres hatte der Arbeitgeber freiwillig an allen deutschen Scholz Recycling Standorten die Entgelte um 200 Euro angehoben und Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Aussicht gestellt. Mit der Rückkehr an den Arbeitsplatz verbinden die Streikenden in Espenhain die Hoffnung, nun auch die 200 Euro zu bekommen.

„Es ist klar geworden, dass nicht die Höhe der Forderung ein Problem für den chinesischen Arbeitgeber ist, sondern das Werkzeug, mit dem man in Deutschland Kompromisse kollektiv und rechtssicher festschreibt“, sagte IG Metall-Funktionär Hecker. Dazu bedürfe es eines Tarifvertrags. Und der ist ebenso wenig in Sicht, wie überhaupt ein Verständigungsversuch: Der Arbeitgeber will die Arbeitnehmer, die am Montag zur Arbeit antreten, aussperren. Das hat es in den vergangenen Jahrzehnten hierzulande nicht gegeben.

„Anstatt auf unsere ausgestreckte Hand zu reagieren, ist die Aussperrung ein Schlag ins Gesicht für die Beschäftigten“, teilte die IG Metall mit. „Der chinesische Arbeitgeber entpuppt sich endgültig als kein zuverlässiger Partner.“

SRW wiederum teilte am Freitagnachmittag mit, „es handelt sich offenbar nur um die Unterbrechung des Streiks und nicht um dessen Beendigung. Die sofortige Eingliederung der bisher Streikenden in die mittlerweile komplett veränderten Betriebsabläufe der SRW metalfloat ist ohnehin objektiv nicht möglich.“

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