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Meinungsumfragen zufolge ist eine Mehrheit der Deutschen für Einschränkungen beim privaten Abbrennen von Pyrotechnik.

© James Owen/Bearbeitung Tagesspiegel

Die Stille nach dem Knall : Was wurde aus den Forderungen nach einem Böllerverbot?

Ende 2023 gab es einen neuen Vorstoß, gefährliche Pyrotechnik bundesweit zu beschränken. Noch laufen die Gespräche hinter den Kulissen. Doch die Chancen auf eine Änderung sind gering.

Alle Jahre wieder wird um den Jahreswechsel herum über ein mögliches Böllerverbot diskutiert. Vor einem halben Jahr haben mehrere Verbände einen neuen Vorstoß unternommen. Mit welchem Ergebnis? Ein Überblick.  

1 Tote und Verletzte

Vier Tote, tausende zum Teil schwer Verletzte, zahlreiche Brände quer durch die Bundesrepublik. Durch die Bilanz der vergangenen Silvesternacht konnten sich Kritikerinnen und Kritiker der deutschen Tradition, das neue Jahr mit Knallerei und Raketen in großem Umfang zu begrüßen, ein weiteres Mal bestätigt fühlen.

Ende 2023 unternahm ein von der Deutschen Umwelthilfe gegründetes Bündnis zusammen mit der Gewerkschaft der Polizei einen neuen Vorstoß für ein bundesweites Verbot dieses Rituals. Das Bündnis kündigte an, sich bei Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) für eine Änderung der Sprengstoffverordnung einzusetzen.

Jedes Jahr gibt es durch Silvester-Feuerwerk zahlreiche Verletzte in Deutschland. In vielen anderen Ländern feiert man den Jahreswechsel ohne derartige Begleiterscheinungen.

© imago images/vmd-images / imago images/vmd-images

Dabei geht es den Verbänden auch um den Schutz von Einsatzkräften der Polizei und Feuerwehr, die zum Jahreswechsel besonders oft attackiert werden. Zudem belaste die feuerwerksbedingte Feinstaubbelastung die Menschen und die Umwelt, unzählige Tiere würden unnötig in Panik versetzt. Zehntausende Menschen unterzeichneten dem Bündnis zufolge Anfang 2024 einen offenen Brief, der ein Verbot von privatem Feuerwerk fordert. Eine repräsentative Forsa-Umfrage hatte kurz zuvor ergeben, dass rund zwei Drittel der Menschen in Deutschland für Einschränkungen des privaten Silvesterspektakels sind. Kommt neue Bewegung in das Thema?

2 Kleine Schritte

Nach Aussage der Deutschen Umwelthilfe gibt es zum Thema zumindest Gespräche zwischen den politischen Akteuren. Das Bundesinnenministerium habe der Organisation bestätigt, dass das Sprengstoffrecht überarbeitet werden soll. Aktuell sei man zusammen mit der Bundesärztekammer und der Gewerkschaft der Polizei dabei, einen Termin zu vereinbaren, um sich „über die Überarbeitung des Sprengstoffrechts abzustimmen“, teilt der Verein dem Tagesspiegel auf Anfrage mit.

Nancy Faesers Behörde erteilt den Forderungen nach einem bundesweiten Böllerverbot allerdings eine klare Absage. „Weder in der Bevölkerung noch in den Ländern oder Parteien ist nach unserer Wahrnehmung eine klare Mehrheit für weitere Verbote erkennbar“, teilt eine Sprecherin des Innenministeriums dem Tagesspiegel mit.

Nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) liegt im Innenministerium inzwischen zwar ein erster Referentenentwurf zur Änderung des Sprengstoffgesetzes vor. „Aber dort gibt es offenbar keinen Bezug zu Silvester, sondern es geht vor allem um die Sicherheit in den Stadien“, sagt der GdP-Bundesvorsitzenden Jochen Kopelke. „Mein Eindruck ist, dass in der Politik der notwendige Druck fehlt.“

3 Auf neuen Wegen

Der Tierschutzbund setzt angesichts der geringen Aussichten auf ein deutsches Böllerverbot auf Rückenwind aus der Europäischen Union und deren Gesetzgebung. Man hoffe, „dass über die EU-Konsultation, die sich aktuell mit den Vorschriften für pyrotechnische Gegenstände befasst, wieder Fahrt in die Sache kommt und sich dann langfristig etwas ändern wird“, erklärt eine Sprecherin der Organisation.

Der Alexanderplatz in Berlin, hier ein Foto aus der Silvesternacht 2022/23, gehört zu den Böller-Verbotszonen in der Stadt.

© dpa/Paul Zinken

Der Berliner SPD-Innenpolitiker Martin Matz geht derweil einen anderen Weg und hofft, dass sich die negativen Auswirkungen der Silvesterböllerei mit einer Anfang 2024 von ihm initiierten neuen Bundesratsinitiative zumindest ein wenig einschränken lassen. Sein Vorschlag: Die bundesweit geltende Sprengstoffverordnung soll so geändert werden, dass großflächige Verbotszonen in dichtbesiedelten Gebieten möglich sind, um Böllerattacken auf Polizei und Retter sowie Gefahren für Einsatzkräfte zu vermeiden

Sein Vorstoß nach Silvester sei inzwischen von den zuständigen Arbeitskreisen der Berliner SPD-Fraktion beschlossen worden, teilte Matz dem Tagesspiegel mit. Nun liege er zur Beratung bei der CDU-Fraktion und könnte dann in das Abgeordnetenhaus eingebracht werden. Die Chancen, dass sein Vorhaben dann im Bundesrat Erfolg habe und zumindest zu einer Verschärfung der Regeln für das Silvesterböllern führe, schätzt er als „vorsichtig positiv“ ein.

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