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Landeshauptstadt: Der vergessene Spaß am Versteckspielen

Norman Radeiski bietet in seiner Wildnisschule Naturerlebnisse für Kinder und Erwachsene an

Herr Radeiski, die naturpädagogischen Projekte sprießen aus dem Boden – fehlt den Kindern etwas?

Nachweislich haben immer mehr Kinder und Jugendliche den Bezug zur Natur verloren. Viele psychische Krankheiten gehen auf den fehlenden Ausgleich durch die Natur zurück. Man spricht auch von Naturdefizitstörung.

Wie erklären Sie sich das Defizit?

Das hat viel mit Naturentfremdung zu tun. Das hat sehr viele Gründe. Unter anderem ist der Reiz der Technik ist sehr stark. Aber die Kinder haben auch weniger Möglichkeiten, draußen zu spielen. Es gibt weniger freie Flächen. Wenn ich aus meinem Fenster schaue, dann sah ich vor einigen Jahren noch auf Grünflächen. Heute ist hier vieles verbaut.

Wildnisschulen sind dann also nur Ersatz?

Ersatz würde ich nicht sagen. Die Natur kann viel für die persönliche Entwicklung tun. Es gibt im Wald kein vorgefertigtes Spielzeug. Die Kinder entwickeln eine ganz eigene Kreativität, wenn sie eine Hütte im Wald bauen. Soziologen und Sozi-Biologen haben gezeigt, dass kleine Kinder ein ureigenes Bedürfnis nach Tieren haben und suchen nach Kontakt mit ihnen. In der Natur können die Kinder aber auch die Zusammenhänge des Lebens begreifen, erkennen, wie sich Leben entwickelt und vergeht. Sie stellen sich Herausforderungen, klettern etwa auf einen Baum und können daran wachsen.

Wie nehmen die Kinder und Jugendlichen ihr Angebot an?

Die meisten sind sehr offen. Gerade die Jugendlichen finden es zum Beispiel eine coole Sache, ein Feuer zu machen. Das sind Erlebnisse, die sie nicht vergessen und ihr Verhältnis zur Natur prägen.

Sie richten sich aber auch an Erwachsene. Was wollen Sie bei denen denn bewirken?

Zum einen geht es natürlich um Wissensvermittlung, etwa in Form von Natur- oder Kräuterwanderungen. Gleichzeitig wollen wir ihnen helfen, die eigene Komfortzone zu erweitern, also dass man sich draußen wieder zu Hause fühlt und Ängste abbaut.

Was denn für Ängste?

Etwa die Angst vor der Dunkelheit, vor Nässe oder Kälte, vor Mücken oder Spinnen. Je mehr man etwa über die Tiere weiß, desto gelassener geht man auch damit um. Wir bieten zudem einjährige Weiterbildungen für Pädagogen an.

Wie bringen Sie denn den Lehrern die Natur nahe?

Viele haben schon einen sehr intensiven Bezug zur Natur. Die Wissensvermittlung geschieht über viele Wege, aber oftmals auch über Spiele. Und ich staune selbst, wie viel Spaß 50-Jährige an Versteckspielen im Wald finden. Bei vielen kommt das innere Kind wieder zum Vorschein.Die Fragen stellte Grit Weirauch

Norman Radeiski, Jahrgang 1974, ist Diplom-Sportwissenschaftler. Der zertifizierte Wildnispädagoge ist Mitbegründer und Leiter der Wildnis- und Naturschule Havelland.

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